Aufruf zur Untersuchung des Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Iran

NWRI- Überlebende des Massakers von 1988, Politiker und Rechtsexperten rufen die UN zur Untersuchung des Verbrechens gegen die Menschlichkeit auf

Überlebende des Massakers von 1988 an politischen Gefangenen, Politiker und internationale Rechtsexperten riefen am Sonntag in einer virtuellen Konferenz zusammen mit Menschenrechtsvertretern die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten auf, eine unabhängige Untersuchung über das Massaker zu beginnen.
Nach einer Fatwa der damaligen oberstes Führers des iranischen Regimes, Ruhollah Chomeini, wurden Mitte Juli 1988 „Todeskomitees“ gegründet, welche in den Gefängnissen des Iran agierten und die Tausende politische Gefangene in den Tod schickten.
Mehr als 30.000 politische Gefangene, meist Anhänger der Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK), wurden geheim innerhalb weniger Monate hingerichtet, nachdem sie fünf Minuten in den Komitees befragt wurden. Ihre Leichen wurden mit Desinfektionsmittel behandelt, in Kühllaster gepackt und in der Nacht in Massengräbern im ganzen Land verscharrt.
Rt Hon David Jones, ein Abgeordneter aus Großbritannien, sagte auf der Konferenz, dass er dem britischen Außenminister Dominic Raab Anfang des Monats einen Brief schrieb und darin darauf hinwies, dass:“ Die FCO darüber im Klaren ist, dass vor fast drei Jahrzehnten fast 30.000 politische Gefangene hingerichtet wurden und dass dafür außergerichtliche Komitees in den Gefängnissen im Iran zuständig waren, welche die Gefangenen innerhalb weniger Wochen im Sommer des Jahres zum Tode verurteilten.“
Jones ergänzte, dass die internationale Gemeinschaft darin gescheitert ist „das internationale Rechte zu schützen und zu verteidigen, vor allem wenn es um die Verhinderung von Genoziden und Massakern geht“. Dies, sagte er, würde durch die „besorgniserregende Kultur der schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran“ dokumentiert.

Der frühere italienische Außenminister Giulio Terzi sagte bei der Veranstaltung:“ Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Ermordungen von 1988 ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen. Sie waren der klare Anfang eines größeren politischen und ethnischen Genozids, der immer noch läuft und welchen die iranische Theokratie gegen alle Oppositionsgruppen sowie religiöse und nationale Minderheiten begeht.“
„Viele der Verantwortlichen von damals sitzen heute in hohen Positionen. Der Leiter der iranischen Justiz, Ebrahim Raisi, sowie der Justizminister Alireza Avaei waren Mitglieder in den „Todeskomitees“. Mostafa Pour-Mohammadi war ebenfalls Mitglied eines „Todeskomitees“. Er ist heute ein enger Berater von Präsident Hassan Rouhani“, ergänzte Terzi.
Baronin Verma aus dem britischen Oberhaus sagte auf der Veranstaltung:“ Wenn wir uns die Entwicklungen im Iran seit Anfang 2019 anschauen, dann hat sich die Menschenrechtslage im Iran noch einmal verschlechtert. Das Regime hat zudem den Volksprotest brutal nieder geschlagen, un den steigenden Unmut im Land zum Schweigen zu bringen.“
„Wir hatten die Ermordung von 1500 Demonstranten sowie die Verhaftung von Tausenden bei den Protesten im November 2019. Wir hatten den Abschuß eines ukrainischen Passagierflugzeuges über Teheran im Januar 2020, der für weitere Proteste sorgte und in den letzten Monaten sehen wir immer mehr Todesurteile und Hinrichtungen von Personen, die im letzten Jahr an den Protesten teil nahmen.“„Einer der Gründe für diese Verschlechterung ist die jahrzehntelange Straffreiheit, welche die Vertreter des Regimes genießen und sie genießen diese im Iran und im Ausland. Die Vertreter des Regimes werden sogar noch für ihre Teilnahme an Menschenrechtsverbrechen belohnt. Ein Beispiel dafür findet sich in der Justiz, wo der aktuelle und der vorherige Vorsitzende der Justiz Mitglieder der Todeskomitees waren, welche das Massaker von 1988 an Tausenden politischen Gefangenen im Iran überwachten. Dies trifft auch auf den amtierenden Justizminister zu.“, ergänzte Baronin Verma.
Der frühere Menschenrechtsvertreter der UN, Tahar Boumedra, der heute die in London sitzende NGO „Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers von 1988 im Iran“ (JVMI) leitet, sagte in dem Webinar, dass die Verfolgung der politischen Gefangenen im Iran auf ihren politischen, religiösen und ethnischen Ausprägungen beruht und das dies ein „fortgesetztes Verbrechen“ ist, welches gestoppt werden muss. Die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
„32 Jahre nach dem Massaker von 1988 an politischen Gefangene ist offensichtlich, dass die iranischen Vertreter nicht gewillt sind, auf die Aufrufe der UN zu Untersuchung und Enthüllung der Wahrheit zu reagieren.“
Er wies darauf hin, dass die Angehörigen der Opfer mehrfach zur Aufarbeitung des Massakers und einer „universellen Rechtsprechung“ aufgerufen haben.
„Die meisten Iraner sehen die Mitglieder der Kommissionen von 1988 als Verbrecher gegen die Menschlichkeit an. Diese stehen bereits wegen ihrer Beteiligung an Terrorismus und anderen Verbrechen auf den Sanktionslisten der EU, der USA, Kanada und anderer Nationen. Es ist also möglich, dass diese Staaten diese Personen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen. Obwohl politische Erwägungen in einer Erhebung der Anklage mit einfließen, bestehen Menschenrechtsaktivisten darauf, dass Beweise erstellt und dokumentiert werden und dass die Bereitschaft dazu erklärt wird, die Verantwortlichen dafür anzuklagen.“
„Die Menschenrechtsverteidiger fordern auch, dass der Chefankläger die Bedingungen für eine Anklage vor dem ICC schafft und dass die entsprechende Kammer des ICC damit beginnt, im Voraus eine Untersuchung der schlimmsten Verbrechen zu beginnen.“, ergänzte Boumedra, der früher selbst der Leiter des UN Menschenrechtsbüros im Irak war.
Professor Alfred de Zayas, der frühere unabhängige Experte für die Verteidigung einer demokratischen internationalen Gesellschaft, sagte auf dem Event, dass er und eine Reihe weiterer UN Sonderberichterstatter eine unabhängige Kommission im Rahmen der Untersuchung des Massakers von 1988 befürworten.
Der frühere EU Politiker Struan Stevenson sagte auf der Konferenz:“ Das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen im Iran ist sowohl ein Beispiel für eine Verbrechen gegen die Menschlichkeit als auch für einen Genozid, wenn man die internationalen Konventionen anwendet. Beide Verbrechen können nicht verjähren. Das iranische Volk hat durch seine Ablehnung und seine fortlaufenden und landesweiten Proteste gezeigt, dass es genug von dem aktuellen Regime und seinen fortgesetzten Menschenrechtsverbrechen hat. Es ist ganz klar die Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft und vor allem der Vereinten Nationen, auf ihren Aufruf zur Gerechtigkeit zu antworten.“
Mindestens 13 Überlebende des Massakers von 1988 sowie Angehörige von Opfern bezeugten auf der Veranstaltung die Existenz dieses Verbrechens..
Weitere renommierte internationale Redner waren: Prof. Jean Zeigler, der frühere Vizepräsident eines beratenden Komitees für den Menschenrechtsrat der UN, Prof. Eric David, bekannter internationaler Rechtsexperte, Dominique Attias, Präsident der Europäischen Anwaltskammer ab Oktober 2020, Kirsty Brimelow, frühere Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses von England und Wales sowie Bob Blackman, Abgeordneter im britischen Unterhaus.