Gewalt gegen protestierende Frauen nimmt im Iran zu

Dutzende Frauen wurden im Iran von der Regime-Polizei gewaltsam angegriffen und festgenommen, als sie friedlich gegen den Schleierzwang protestierten. Ihnen drohen Strafen bis zu zehn Jahren Haft.

Im Iran nimmt die Verfolgung von Frauen, die öffentlich gegen den Schleierzwang protestieren, in alarmierender Weise zu. Am 23. Februar veröffentlichte die Regime-Polizei die Drohung, dass Frauen, die sich an den Protesten beteiligen, wegen „unsittlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit, Störung der öffentlichen Ordnung und Ermutigung zur Unsittlichkeit und Prostitution“ angeklagt werden. Dies kann im Iran mit zehn Jahren Haft bestraft werden.

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Seit Anfang 2018 zeigen immer mehr Frauen im Iran ihre Auflehnung gegen den Schleierzwang, indem sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abnehmen und als Protestfahne schwenken. In den sozialen Netzwerken werden täglich Fotos von Frauen aus allen Altersgruppen verbreitet, die ihr Kopftuch auf offener Straße aus Protest abnehmen. Auch Männer solidarisieren sich mit diesen Protesten.

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Die Regime-Justiz hat bereits im Januar angekündigt, dass sie hart gegen die wachsende Zahl der „Anti-Kopftuch-Demonstrantinnen“ durchgreifen werde. Der Teheraner Generalstaatsanwalt bezeichnete es als eine „eindeutige Straftat“, wenn Frauen ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit abnehmen. Regime-Funktionäre wie der Oberste Richter des Revolutionsgerichts in Teheran beschimpften die Frauen, die sich gegen den Schleierzwang wehren, als „schwachsinnig“, „kindisch“, „getäuscht“, „pervers“ und „böse“. Sie drohten den Frauen mit harten Strafen.

Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden in den letzten Wochen allein in Teheran mindestens 35 Frauen gewaltsam angegriffen und festgenommen, als sie friedlich gegen den Schleierzwang protestierten. Einige der Frauen wurden im Gefängnis Shahr-e-Rey in der Stadt Varamin südlich von Teheran inhaftiert, das für besonders unmenschliche Haftbedingungen bekannt ist. Wahrscheinlich wurden weit mehr Frauen festgenommen, da diese Protestveranstaltungen auch in anderen Teilen des Landes stattgefunden haben.

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Zu den Festgenommenen gehören Vida Movahed, Narges Hosseini (im Bild vor ihrer Verhaftung) und Azam Jangravi, die gegen Kaution freigelassen wurden, nachdem sie zwischen einigen Tagen und einigen Wochen in Haft waren. Die 32jährige Narges Hosseini wurde am 26. Februar vor Gericht gestellt, wo sie erfuhr, dass sie u.a. wegen „Ermutigung zur Unsittlichkeit und Prostitution“ angeklagt wurde. Narges Hosseini habe sich geweigert, Reue für ihren Protest zu zeigen, berichtete Hosseinis Anwältin Nasrin Sotoudeh. Sie sagte, sie lehne den Schleierzwang ab und halte es für ihr verbrieftes Recht, dagegen zu protestieren.

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Auch Shaparak Shajarizadeh (Bild) wurde informiert, dass sie unter demselben Vorwurf angeklagt wird. Sie wurde am 21. Februar verhaftet und befindet sich zurzeit im Shahr-e-Rey-Gefängnis in Isolationshaft. Ihre Rechtsanwältin berichtet, dass die Gefangene nach ihrer Verhaftung gefoltert und misshandelt worden sei.

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Am 22. Februar hat das Video einer Protestaktion in Teheran gegen den Schleierzwang im Internet für Aufsehen gesorgt. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie die Aktivistin Maryam Shariatmadari (Bild) in der Teheraner Innenstadt auf einem Verteilerkasten steht und ihr Kopftuch als Zeichen des Protests emporhält. Als die Frau sich weigert, den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten und herunterzukommen, stößt ein Polizist sie rücksichtslos zu Boden. Unter den Passanten sorgt dies für Empörung und Protest. Auch im Internet wurde das Vorgehen der Polizei von vielen Nutzern kritisiert.

Maryam Shariatmadari wurde bei dem Sturz verletzt. Sie wird zurzeit ohne ausreichende medizinische Behandlung im Shahr-e-Rey-Gefängnis festgehalten. Auch ihre Mutter wurde am 23. Februar für 30 Stunden in Haft genommen, nachdem sie Informationen über den Verbleib ihrer Tochter verlangt hatte.

Am 24. Februar wurde nach Angaben von Augenzeugen die junge Aktivistin Hamraz Sadeghi, die nahe dem Teheraner Ferdowsi-Platz auf einem Verteilerkasten stand und gegen den Schleierzwang protestierte, von einem Polizisten heruntergestoßen und geschlagen. Sie brach sich dabei den Unterarm und verletzte sich am Ellenbogen, und wurde in diesem Zustand festgenommen.

Ende Februar haben über 70 iranische Dokumentarfilmerinnen in einem offenen Brief an die staatlichen Institutionen gegen das gewaltsame Vorgehen der Regime-Polizei protestiert. Sie weisen darauf hin, dass der Schleierzwang selbst unter Geistlichen umstritten sei. Die Gewalt gegen die protestierenden Frauen sei nicht zu rechtfertigen.

Im Iran ist gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren in der Öffentlichkeit ein Kopftuch sowie lange, weite Kleidung tragen müssen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. Nach dem Völkerrecht verstößt der Schleierzwang gegen eine Reihe grundlegender Menschenrechte. Er diskriminiert Frauen und Mädchen, für die allein dieses Gesetz gemacht wurde. Ein solcher gesetzesmäßiger Zwang verstößt auch gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie auf Privatsphäre von Frauen und Mädchen und insbesondere gegen die Rechte von Kindern.

Unter dem Teheraner Regime wird der Zwang zur Bedeckung des Haares von Frauen und Mädchen auf gewaltsame und demütigende Weise mit willkürlichen Festnahmen und Bestrafungen durchgesetzt. Damit verletzt das Regime auch die Würde von Frauen und Mädchen. Die gewaltsame Durchsetzung des Schleierzwangs stellt eine Form von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe dar, die nach dem Völkerrecht grundsätzlich verboten ist. Wo solche Handlungen geistigen oder körperlichen Schaden, Leid und Schmerzen verursachen, kommen sie der Folter gleich.