Iran: Die Armut, das Elend und die Präsidentenwahl des Regimes im Jahre 2021

Dieser Text ist einer von mehreren Artikeln, in denen wir die Farce der Wahl des Präsidenten des iranischen Regimes behandeln.

Zusammenfassung

Dieser Artikel möchte einen Überblick darüber geben, wie die Wirtschaftskrise im Iran immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze bringt, wodurch sie dazu bewogen werden, die Farce der Präsidentenwahl des Regimes zu boykottieren. Es handelt sich in diesem Text hauptsächlich um Tatsachen, die die staatlichen Medien bzw. Funktionäre des Regimes eingeräumt haben. Der zweite Teil des Artikels legt Tatsachen vor, die unterstreichen, daß die Wirtschaft des Landes sich in einem freien Fall befindet und das iranische Regime sie zerstört.

Tatsachen und Zahlen

Das religiöse Regime des Ian wird im Juni die Farce seiner Präsidentenwahl abhalten. Der Höchste Führer des Regimes, Ali Khamenei, strebt ein bedeutendes Wahlergebnis an, um seine Führung zu legitimieren, doch die Iraner skandieren bei ihren täglichen Demonstrationen: „Wir gehen nicht mehr zur Wahl; wir haben keine Gerechtigkeit erlebt!“ Und: „Wir gehen nicht mehr zur Wahl; wir haben genug von den Lügen!“

Es sind mehrere Faktoren, die die Iraner zu der Forderung bewegen, überall im Lande die Farce der Präsidentenwahl des Regimes zu boykottieren – Repression, wirtschaftliche Krisen und das Verlangen des Volkes nach einer demokratischen Verfassung.

Dieser Artikel möchte darstellen, wie die ökonomischen Krisen des Iran immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze gebracht haben und sie zu einem Boycott der Farce der Präsidentenwahl bewegen, weil sie in der herrschenden Theokratie ihren wahren Feind erkennen. Im zweiten Teil des Artikels möchten wir mit einigen Details die Art klar machen, wie das Regime die Wirtschaft des Iran zerstört.

Die staatliche Tageszeitung „Mostaghel“ schrieb am Samstag, den 17. April: „Die Farce der Präsidentenwahl ist, was die mangelnde Bereitschaft des Volkes betrifft, sich daran zu beteiligen, ohne Beispiel.“

Es folgt ein Überblick über die Tatsachen, die die verheerende wirtschaftliche Lage des iranischen Volkes unterstreichen:

1 – Am 6. April sagte Abbas Akhundi, ehemaliger Minister für Stadtentwicklung: „Wenn die nationale Investition in neun Jahren
minus 6, 8% beträgt, so heißt es, daß sie nur noch 52% von dem Maß erreicht, das vor zehn Jahren anzutreffen war.“ Nach der staatlichen Website „Eghtesad News“ fuhr er fort: „Im nächsten Jahr wird die Inflation um mehr als 40% mehr betragen [als im vorigen Jahr]. Das bedeutet absolute Armut.“

2 – Die Tageszeitung „Arman“ fügt hinzu: „Im Dezember 2019 nahm nach Hossein Salahvarzi, dem Vizepräsidenten der iranischen Industrie- und Handelskammer, unter anderen Ländern der Welt auf der Grundlage eines weltweiten Vergleichs von Ländern im Rahmen von neun Indikatoren der Geschäftschancen, der Bildung, der Gesundheit, der Sicherheit, der individuellen Freiheit und der Qualität der Regierung der Iran den 119. Platz ein.“

3 – Am 24. Januar sagte Mohammad Bagher Ghalibaf, der Sprecher der Majlis des Regimes, dem staatlichen Fernsehen zufolge: „Die Infrastruktur unseres Haushaltes ist beschädigt. Betrachten Sie die Infrastruktur des Haushaltes dieses Jahres. Einen Rekord bricht er: Die [öffentlichen] Einnahmen und Ausgaben unterscheiden sich um 36%.“

4 – Das Forschungszentrum des Parlaments des Regimes hat einen Bericht über die wirtschaftliche Lage des Landes erstellt. Während seiner Sitzung am 31. Mai hat das neue Parlament der Mullahs durch Mohammad Ghasemi, den Leiter des Zentrums, dessen Bericht präsen-tiert. Er trägt den Titel: „Ein Bild von der wirtschaftlichen Lage des Landes: Herausforderungen und Strategien“. Seine Veröffentlichung wurde weithin von den staatlichen Medien betrieben.5 – In dem Bericht des Forschungszentrums der Majlis heißt es:

– Der erste Faktor des Niedergangs der Wirtschaft des Landes besteht in dem Niedergang des Bruttosozialprodukts. Dabei handelt es sich – in klaren Worten – um den gesamten Wert der Güter und Dienstleistungen, die während eines Jahres in einem Lande produziert wurden.

– Die zweite Ursache dessen, daß das Land in dem schwarzen Loch der Armut versinkt, besteht in den Tendenzen der Inflation. Alle 41 Jahre der religiösen Diktatur des Iran waren mit Inflation verbunden. Nach offiziellen Quellen betrug in den vergangenen vier Jahrzehnten die durchschnittliche Inflationsrate 20%, während die durchschnittliche Inflationsrate der ganzen Welt bei 3 bis 4% liegt.

– Der Iran weist nach Venezuela, Zimbabwe und Argentinien die vierthöchste Inflationsrate auf. Einer der wichtigsten Gründe dessen, daß die große Inflation sich im Iran fortsetzt, besteht in dessen riesiger Liqudität; unlängst erreichte ihr Volumen die Größe von mehr als 2 500 Billionen Toman (10 000mal so viel wie 1979), während das Volumen der nationalen Produktion nach den gegenwärtigen Preisen nur um das Fünffache zugenommen hat.

– Im Jahre 2019 nahm die Liquidität um mehr als 31% zu, während das Bruttoinlandsprodukt um etwa 7,5% abnahm. Darin besteht die wichtigste Ursache des Zusammenbruchs der nationalen Währung und der Kaufkraft des Volkes, und ebenso auch die Ursache des dramatischen Niedergangs des Tauschwerts des Rial im Verhältnis zu ausländischen Währungen.

In dieser Lage müssen die Iraner darum kämpfen, daß sie zurecht kommen. Man könnte darauf hinweisen, daß die internationalen Sanktionen den Druck auf die Iraner gesteigert haben. Doch dabei räumen Funktionäre des Regimes ein – und die vom iranischen Widerstand vorgelegten Informationen bestätigen es: Die wirkliche Ursache der gegenwärtigen Krise besteht in der Korruption des Regimes und seiner verfehlten Wirtschaftspolitik.

Tatsachen

– Abbas Akhundi, ehemaliger Minister für Straßenbau und Stadt-entwicklung in der Regierung Rouhani, sagte am 8. Februar in einem Interview mit der halb-offiziellen Nachrichtenagentur ISNA: „Im Iran besteht ein ‚transnationales‘ Netzwerk von Korruption; es operiert auf dem inoffiziellen Markt. Sein jährlicher Umsatz liegt zwischen 20 und 25 Milliarden Dollars.“

– Akhundi unterstrich, daß dies Netzwerk internationaler Korruption sich in den vergangenen 15 Jahren entwickelt hat und während der Amtszeit von Präsident Mahmoud Ahmadinejad seinen Höhepunkt erreichte. Es verteilte mehr als 100 Milliarden Dollars unter die militärischen Institutionen. Außerdem unterstrich Akhundi: „Die Wirtschaft des Iran kämpft mit hoher, institu-tionalisierter Korruption.“

– Mohammad Bagher Ghalibaf, der Sprecher des Parlaments des Regimes, räumte nach der staatlichen Nachrichtenagentur „Khane-Melat“ am Montag, den 29. März im Zusammenhang der Fraktions-kämpfe ein: „Wir erzielten in einem Jahr 119 Milliarden Dollars bei durch ausländischen Austausch erzielten Einnahmen. Im vorigen Jahr erzielten wir dadurch weniger als 15 Milliarden Dollars; doch in beiden Jahren hatten wir es mit der Inflation und zum Himmel ansteigenden Preisen zu tun. Unser Problem liegt nicht im Mangel an Geld; wir haben auch dann Probleme, wenn wir genug Geld haben. Auf der einen Seite haben wir Berge von Vermögen. Auf der anderen Seite liegt die Armut.“
– Hossain Raghfar, einer der Ökonomen des Regimes, räumte ein, daß die wirklichen Faktoren, die die Wirtschaft des Iran belasten, in der Mißwirtschaft und im Betrug liegen. „Das Problem der Wirtschaft des Landes liegt nicht in den USA oder den Sanktionen. Die Hauptprobleme der Wirtschaft liegen in der Lüge, dem Betrug und darin, daß man andere für die Ablenkung des öffentlichen Bewußtseins von den bitteren Problemen verantwortlich macht, die die Innenpolitik dem Volk verschaffen“ – so Raghfar am 15. Oktober gegenüber der staatlichen Tageszeitung „Resalat“. „Unentwegt macht man“, so fuhr Raghfar fort, „die Vereinigten Staaten für die Probleme des Landes verantwortlich, die in Wahrheit auf das Handeln im Lande selbst zurückgehen. Importe von Gegenständen wie Satteln und Zahnstochern nahmen von 16 Milliarden Dollars im Jahre 2005 bis zu 90 Milliarden Dollars im Jahre 2011 zu; dadurch wurde das Land immer abhängiger und konsumistischer.“

Zu den Tatsachen, die Funktionäre des Regimes und Wirtschafts-experten einräumen, kommt hinzu, daß Khamenei und die Revolutions-garden die Wirtschaft des Iran mit ihren finanziellen Institutionen und den sog. privaten Firmen beherrschen.

Auszug aus zwei detaillierten Berichten über das Finanz-Imperium des IRGC, veröffentlicht vom Nationalen Widerstandsrat des Iran (NWRI)

„Niemals waren die internationalen Sanktionen im Iran die Ursachen der wirtschaftlichen Übel; daher hat ihre Aufhebung keine Heilung gebracht. Im Spiel sind im System eingewurzelte Probleme; sie haben mit der Art und den soziokulturellen Wurzeln des politischen Systems zu tun, das heute an der Macht ist. Die im Iran chronische Rezession ist hauptsächlich ein Erzeugnis der verbissenen Versuche des Regimes, inmitten einer ihm feindlichen Umgebung zu überleben. Seine Herrschaft wird beständig durch eine Bevölkerung herausge-fordert, die von der legitimen politischen Vertretung und von materiellen ökonomischen Wohltaten weithin ausgeschlossen wird. [Diese Tatsache wird bezeugt durch die Demonstrationen, die in den Jahren 2018 und 2019 den ganzen Iran überzogen.]

Diese Transformation wird durch die Verfassung des Regimes, die im Dezember 1979 angenommen wurde, ermöglicht. Alle Prinzipien und Regeln, die den Besitz von Vermögen betreffen, leugnen oder unterlaufen die Achtung vor dem Privatbesitz. Artikel 44 spaltet die gesamte Wirtschaft in drei Sektoren: den Staat, die Kooperative und die Privatsphäre. Das Regime wird legal dazu legitimiert, Vermögen zu beschlagnahmen, dadurch daß es „Treue zum islamischen Recht“, den Schutz „öffentlicher Interessen“ oder die „soziale Gerechtigkeit“ geltend macht.

Zum Beispiel gesteht Artikel 49 dem Regime „die Verantwortung für die Konfiszierung allen Vermögens zu,“ von dem der Staat annimmt, daß es mit illegitimen Mitteln erworben worden sei. Die Funktio-näre des Regimes werden somit zu einer in großem Maßstab und lukrativ betriebenen Kampagne der Konfiszierung entfesselt.
Seit 2005 hat sich der Besitz von Vermögen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft von der Bevölkerung zu der Minorität der herrschenden Elite verschoben, die aus dem Amt des Höchsten Führers und dem IRGC besteht.

Während des vergangenen Jahrzehnts wurde dieser Vorgang als „Privatisierung“ ausgegeben – die Art, wie ein bedeutender Teil der wirtschaftlichen Institutionen des Iran dem Amt des Höchsten Führers und dem unter seinen Auspizien operierenden Apparat der Sicherheit, des Militärs und der Wirtschaft ausgeliefert wurde. Diese sogenannte Privatisierungs-Kampagne – die als entscheidender Wendepunkt anzusehen ist – begann ernstlich im Jahre 2005, als der Höchste Führer Ali Khamenei und das IRGC ihre Reihen schlossen und die Exekutive mit Leuten besetzten, die – zumindest am Anfang – ihre Reihen geschlossen hielten und mit Khamenei seine strategische Zukunftsvision teilten.

Damals begann Khamenei mit einer tief reichenden Restrukturierung der Wirtschaft des Iran, die besonders die Industrie und die Institutionen in weitem Umfang betraf.

Der erste Schritt war eine offizielle Direktive, die Khamenei im Mai 2005 erließ. Die Regierung wurde angewiesen, 80% ihrer wirtschaftlichen Unternehmen bis Ende 2009 „nicht der Regierung angehörenden öffentlichen, privaten und kooperativen Sektoren“ zu übertragen. Dazu gehörten große Bergwerke, Unternehmen der Grundstoff-Industrie (wie die Förderung von nachgelagertem Öl und Gas), der Außenhandel, die Banken, die Versicherungen, die Energieerzeugung, die Häfen, die Straßen, die Eisenbahnen, die Luftfahrt und die Reedereien. Einigen Schätzungen zufolge wurden innerhalb von nur drei Jahren – von 2005 bis 2008 – an Anteilen 12 Milliarden Dollars übertragen. Im Vergleich damit waren es von 1991 bis 2004 1 Milliarde Dollars; es handelt sich also um eine Steigerung um das Zwölffache in einem Zeitraum, der nur ein Viertel des früheren betrug.

Die Nutznießer dieses Pulks von Übertragungen waren das Amt des Höchsten Führers und seine verschiedenen Tentakeln, darunter die dominante Setad, die Bewaffneten Streitkräfte und die infamen „bonyads“ (Stiftungen). Die Implikationen dieses atemberaubenden Griffs nach der Macht treten noch deutlicher hervor, wenn man sich klar macht, daß diese Institutionen praktisch über alle Prozesse der Entscheidungsfindung, legalen Mechanismen, der Sammlung von Nachrichten und des Zugangs zu bedeutenden Entscheidungen über das Budget die absolute Kontrolle ausüben. Es folgt, daß sich neue Machtzentren gebildet haben; sie wirken nun als die Haupt-Akteure und folglich als die Torhüter gegenüber westlichen Firmen, die in die iranische Ökonomie eindringen wollen.

Die 14 Machtzentren und großen wirtschaftlichen Institutionen, die die Ökonomie des Iran kontrollieren:

Das Hauptquartier für die Ausführung des Befehls des Imam (Setad)

Die Stiftung Mostafazan (der Bedrückten)

Astan-e Qods-e Razavi

Stiftung Shahid (des Märtyrers)

Komitee Emdad (der Hilfe)

Das Corps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), Kooperative Stiftung

Das Konstruktions-Hauptquartier Khatam al-Anbiya

Die Gesellschaft Ghadir-Investment

Die Organisation der Investition in die soziale Wohlfahrt der bewaffneten Streitkräfte

Das Bau-Hauptquartier Khatam al-Osia

Die Kooperative Stiftung der Staatlichen Sicherheitskräfte (NAJA)

Die Kooperative Stiftung der Armee (BTAJA)

Die Kooperative Stiftung der vereinigten Stabschefs der bewaffneten Streitkräfte (VDJA)

Das riesige, in sich vielfach verbundene Netzwerk von Vermögen und Macht in den Händen des Höchsten Führers bedeutet ein raffiniertes Monopol in der iranischen Wirtschaft. Mit dem Iran Geschäfte zu betreiben – das heißt mit Khamenei und dem IRGC Geschäfte zu betreiben. Zugleich ermöglichen und finanzieren die bedeutenden Einkünfte aus diesem Monopol den Terrorismus des Regimes, seine Intransigenz und seine Abenteuerei in der Region.

Inzwischen zeigen die oben genannten Tatsachen und Zahlen, daß das Regime aufgrund dieser Entwicklungen nur schwankend Schritt halten kann mit den Forderungen einer zunehmenden Bevölkerung und einer großen Gruppe junger Leute. Der Economist sagt: „Die Arbeiterschaft der Islamischen Republik wird den Erwartungen zufolge in den fünf Jahren bis 2020 jährlich um das Zweieinhalb-fache zunehmen – das sind etwa 3 Millionen Menschen, die nach einem Arbeitsplatz suchen. Am dornigsten stellt sich das Problem für die Jugend und die Frauen dar; bei ihnen beträgt die Arbeitslosigkeit 25,2% bzw. 19,7%.“ Diese Zahlen stammen z. T. von offiziellen, ultra-konservativen Schätzungen.

Schluss

Das Regime plündert das nationale Vermögen des Iran aus, um seine illegitime, bösartige Tätigkeit zu finanzieren – darunter den Export des Terrorismus, den Wettlauf zu einer Atombombe und die Produktion ballistischer Raketen. Hinzu kommt die im Regime institutionalisierte Korruption, die jedes Jahr Milliarden Dollars schluckt.

Jetzt wird klar, weshalb die Iraner gewillt sind, die Farce der Präsidentenwahl des Regimes zu boykottieren.

Man kann diesen Artikel in folgenden Punkten zusammenfassen:

– Die Iraner kämpfen mit der Armut, die sich aus der verfehlten Wirtschaftspolitik und Korruption des Regimes sowie der Art ergibt, wie es das nationale Vermögen ausplündert.

– Die Wirtschaftskrise des Iran kann vom gegenwärtigen Regime nicht gelöst werden – gleichviel, wen Khamenei dazu erwählen würde. Denn die wahre Ursache dieser Krise ist das Regime selbst.

– Seit Khamenei und das IRGC die Wirtschaft des Iran beherrschen, kann jedwedes Geschäft mit dem Regime dessen Maschine des Kriegsschürens und der Repression nur befeuern.

Während das Volk des Iran seine Demonstrationen fortsetzt und einen landesweiten Boycott der Farce der Präsidentenwahl fordert, sollte die internationale Gemeinschaft sein Verlangen unter-stützen, anstatt die Wahlfarce der Mullahs anzuerkennen.