Konferenz zum Massaker von 1988 im Iran erneuert internationalen Aufruf zum Handeln

NWRI- Am Freitag veranstaltete der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) eine virtuelle Konferenz, die Teil der „Call-for-Justice“ Kampagne in Bezug auf das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen ist. Obwohl dies immer schon eine wichtige Angelegenheit für die pro-demokratische Koalition war, hat das Massaker nach der Bekanntgabe, dass Ebrahim Raisi neuer Präsident des Iran wird, noch einmal eine besondere Bedeutung bekommen.
1988 war Raisi stellvertretender Staatsanwalt in Teheran und im Sommer dieses Jahres wurde er dann einer der vier Vertreter, die in Teheran im „Todeskomitee“ saßen, welches die Umsetzung einer Fatwa des Gründers des Regimes, Ruhollah Chomeini, regeln sollte. Das religiöse Dekret erklärte alle Personen, die mit der führenden Oppositionsgruppe der Volksmojahedin Iran (PMOI/MEK) in Kontakt standen, für schuldig, sich „im Krieg mit Gott zu befinden“ und daher sollten sie hingerichtet werden, wenn sie weiterhin loyal zur MEK und ihren Idealen stehen.
Iran: Eine Fatwa, die 30.000 politischen Gefangenen beim Massaker von 1988 das Leben nahm

Viele Gefangene, die vor dieses Todeskomitee gingen, lehnten die Distanzierung von der MEK ab. Am Freitag beschrieb NWRI Präsidentin Maryam Rajavi in einer Rede diese Standhaftigkeit im Angesicht der Unterdrückung als eine fortgesetzte Quelle der Inspiration für Aktivitäten, sowohl im Iran als auch im Exil. „Für uns ist die Call-for-Justice Bewegung gleichbedeutend mit Standhaftigkeit, Entschlossenheit und Widerstand zum Sturz dieses Regimes und der Gründung von Freiheit mit all unserer Kraft“, sagte sie.
Frau Rajavi ergänzte, dass die Machthaber des Regimes genau diese Inspiration auslöschen wollen, indem sie die Realitäten des Massakers negieren und herunter spielen und indem sie die Identitäten der Opfer nicht preis geben wollen, die zu mehr als 90 Prozent Mitglieder der MEK waren. All das lässt zu dem Schluss kommen, dass 1988 mindestens 30.000 politische Gefangene innerhalb von drei Monaten hingerichtet wurden. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass mit einer intensiven Untersuchung der Vereinten Nationen oder eines anderen Gremiums eine noch höhere Todeszahl heraus kommt, wenn weitere Details über die Ermordungen bekannt werden.

Einige der früheren politischen Gefangenen nahmen an der Konferenz am Freitag teil. Auch sie sagten, dass die Zahl von 30.000 eher eine konservative Schätzung ist, weil in einigen Gefängnissen ganze Zellen und Abteilungen mit Insassen getötet wurden. Dort, wo es überlebende Insassen gab, wird von Massenhinrichtungen nach gnadenlosen und mechanischen Prozessen berichtet, in denen die Todeskomitees die politischen Gefangenen oft weniger als eine Minute lang befragten, bevor das Todesurteil verhängt wurde.
„Während meiner Zeit im Gefängnis wurden in einigen Nächten 600 Menschen hingerichtet“, sagte Parvin Kouhi und ergänzte, dass sie das Massaker von 1988 nur überlebte, weil sie zu dieser Zeit viel in Einzelhaft saß. Als sie wieder in die normale Abteilung zurück kehrte, waren fast alle Insassen verschwunden. Alle Gefangenen, die mit der MEK in Verbindung standen, waren hingerichtet worden.
Ähnliche traumatische Erlebnisse und ein fast unmöglich erscheinendes Überleben wurden bereits vor der Konferenz von 16 früheren Gefangenen veröffentlicht, deren Videoaussagen auf der offiziellen Webseite der NWRI Koalition zu sehen sind.
Asghar Mehdizadeh, einer der Zeugen, beschrieb, wie allen Gefangenen die Augen verbunden wurden und wie sie dann so lange geschlagen wurden, bis sie in 15 Gruppen mit 10 bis 15 Personen in einen „Todeskorridor“ geführt wurden. Mehdizadeh war persönlich Zeuge, wie mindestens ein Duzend Hinrichtungen zeitgleich durchgeführt wurden und obwohl er dort ohnmächtig wurde, unterstreicht er in seiner Videonachricht, dass viele Opfer der MEK bei ihrer Hinrichtung Slogans wie „Tod für Chomeini“ und „lang lebe die Freiheit“ in ihren letzten Momenten riefen.
Das Massaker von 1988 an politischen Gefangenen im Iran: Augenzeugenbericht von Asghar Mehdizadeh

Die möglichen Auswirkungen dieser Standhaftigkeit wurden auf der Konferenz am Freitag diskutiert. Nicht nur Vertreter des NWRI, sondern auch frühere politische Gefangene, Politiker, Rechtsexperten und Menschenrechtsverteidiger aus der ganzen Welt waren anwesend. Kumi Naidoo, der von 2018 bis 2020 als Generalsekretär von Amnesty International aktiv war, lobte „die Stärke und den Mut“ derjenigen, die sich seit vier Jahrzehnten der Unterdrückung durch das iranische Regime entgegen stellen. Er sagte:
„Das Massaker von 1988 war brutal und blutdürstig, ein Genozid. Es ist für mich bewegend, zu sehen, mit welcher Stärke und Mut die Menschen durch all das gehen, obwohl sie so viel Leid und Schmerz erfahren. Ich möchte mich vor all den Gefangenen der MEK verneigen und ihnen applaudieren…Die EU und die internationale Gemeinschaft müssen in dieser Frage die Führung übernehmen. Diese Regierung, die von Raisi angeführt wird, ist noch mehr mit dem Massaker von 1988 verbunden. Regierungen, die so handeln, müssen begreifen lernen, dass dies kein Zeichen von Stärke, sondern ein Anerkennen von Schwäche ist.“

Geoffrey Rpbertson, der der erste Präsident des UN Sondergerichts für Sierra Leone, sprach über die Natur des Massakers von 1988 und nannte es einen Genozid.
In Bezug auf die Fatwa von Chomeini zur Vernichtung der MEK und ihrer Bezeichnung des Mohareb (Feind von Gott), welche das Regime als Basis für sein Massaker nutzte, sagte Robertson:“ Es sieht so aus, als wenn es sehr starke Beweise für einen Genozid gibt. Genozid bedeutet die Ermordung oder Folterung einer speziellen Gruppe für ihre religiösen Ansichten. Es ist eine religiöse Gruppe, die nicht die Ideologie des iranischen Regimes akzeptiert. Ohne Frage müssen Raisi und andere für dieses Verbrechen verfolgt werden. Die Verfolgung dieses Verbrechens fällt in die Kompetenz der internationalen Gemeinschaft. Es muss etwas getan werden, so wie es bei den Verantwortlichen des Massakers von Srebrenica getan wurde.“
Viele weitere Teilnehmer dieser Konferenz unterstützten diesen Aufruf und betonten, wie wichtig der Beginn einer formellen Untersuchung des Massakers von 1988 und eine anschließende Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof ist. Eric David, ein belgischer Professor für internationales Recht, wies darauf hin, dass ohne einen internationalen Fall auch jeder einzelne Staat Verbrecher gegen die Menschlichkeit auf der Basis einer universellen Gerichtsbarkeit anklagen kann. In Schweden ist dies bereits mit der Anklage des früheren iranischen Gefängniswärters Hamid Noury passiert. Er ist die erste Person, die überhaupt für eine Rolle beim Massaker von 1988 angeklagt wurde.