22. August 2017 – Amnesty International hat Besorgnisse über die Situation der politischen Gefangenen geäußert, die sich im Iran im Hungerstreik befinden. Hier der vollständige Text, der in Amnesty.org veröffentlicht worden ist.
Iran: Zahlreiche Hungerstreiks unter politischen Gefangenen aus Protest gegen inhumane Bedingungen
Mehr als ein Dutzend politische Gefangene, darunter auch Gefangene aus Gewissensgründen, sind in den Hungerstreik getreten aus Protest gegen die grausamen, inhumanen und entwürdigenden Bedingungen, die sie gezwungen werden, im Hochsicherheitsgefängnis in Karadsch in der Provinz Alborz durchzustehen, erklärte heute Amnesty International.
Politische Gefangene im Gefängnis Raja’i Shahr wurden vor kurzem in einen neu eröffneten Bezirk gebracht, wo die Bedingungen als unerträglich bezeichnet werden. Sie werden in Zellen gebracht, deren Fenster mit Metallplatten abgedeckt werden. Ihnen wird kein Zugang zu sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln gewährt und sie haben nicht ausreichend Betten. Auch werden ihnen kein Besuch persönlicher Angehöriger und keine Möglichkeit zum Telefonieren gewährt, wie es in anderen Teilen des Gefängnisses üblich ist.
„Die iranischen Behörden müssen umgehend sicherstellen, dass ausreichend Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medizin, gesundheitliche Versorgung und sanitäre Einrichtungen für alle Gefangenen im Raja‘i Shahr Gefängnis zur Verfügung stehen“.
Am 30. Juli wurden etwa 53 politische Gefangene gewaltsam in die Sektion 10 des Raja’i Shahr Gefängnisses gebracht. Es sind Gefangene aus Gewissensgründen: Verteidiger der Menschenrechte, Gewerkschafter, Journalisten, Studenten, friedliche politische Dissidenten und Mitglieder der im Iran verfolgten Baha’i Gemeinde.
Mindestens 17 der politischen Gefangenen sind in den Hungerstreik getreten aus Protest gegen die Verlegung. Der Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter Reza Shahabi hat sich am 16. August den Hungerstreikenden angeschlossen, nachdem er verhaftet und in die gleiche Sektion gebracht worden ist.
Nach Informationen, die Amnesty Internationale Anfang August erhalten hat, werden einige der Gefangenen, die in den Hungerstreik getreten sind, seit bis zu 12 Tagen in Einzelhaft gehalten zur Strafe für ihren friedlichen Protest.
„Indem sie Dutzende von Gefangenen aus Gewissensgründen nach gänzlich unfairen Gerichtsprozessen internieren, setzen sich die iranischen Behörden an sich schon schamlos über ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen hinweg. Eigentlich sollten diese Menschen überhaupt nicht hinter Gittern sein, aber statt aus der Haft entlassen zu werden, werden sie noch mehr gestraft dadurch, dass sie unter empörenden Bedingungen festgehalten werden“, so Magdalena Mughrabi.
Amnesty International hat in Erfahrung gebracht, dass die Gefängnisverwaltung in Sektion 10 die Fenster mit Metallplatten verdeckt und alle Tore und Öffnungen nach draußen versiegelt hat. Die Räume sind somit fast luftdicht verschlossen. Deshalb gibt es in den Räumen kaum Luftzirkulation und sie sind feucht. Die Gesundheit der Gefangenen ist daher gefährdet, besonders wenn sie ohnehin nicht in bester gesundheitlicher Verfassung sind.
Die Gefangenen haben außerdem ihren Zorn zum Ausdruck gebracht wegen der beispiellosen Maßnahme der Installation von Dutzenden von Sicherheitskameras und Abhörgeräten überall in diesem Teil des Gefängnisses, auch in Toiletten und Duschräumen, was einer Verletzung des Rechts auf Privatsphäre gleichkommt.
Diese repressiven Maßnahmen scheinen zugleich mit dem Ausschluss von Telefongesprächen und von Besuchen von Familienangehörigen Teil einer konzertierten Aktion des iranischen Behörden zu sein, politische Gefangene von der Außenwelt abzuschneiden und das Durchsickern von Informationen über den Katalog von Menschenrechtsverletzungen zu begrenzen, die sie schon normalerweise im Gefängnis Raja’i Shahr erdulden müssen.
In den letzten Tagen wurden mehrere Gefangene in die Krankenstation des Gefängnisses gebracht, nachdem sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat. Darunter sind die Baha‘i Adel Naimi, Farhad Dahandaj und Peyman Koushak Baghi, der Student im Aufbaustudium Hamid Babaei, der Journalist und Blogger Said Pour Heydar und der Menschenrechtsverteidiger Jafar Eghdami. Die Gefängnisärzte haben gewarnt, dass einige von ihnen dringend eine besondere medizinische Versorgung außerhalb des Gefängnisses benötigen, aber der Gefängnischef verweigert ihre Verlegung in Krankenhäuser.
Die Gefangenen in Sektion 10 haben auch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, weil die Geräte zur Wasserreinigung, die sie sich auf eigene Kosten beschafft hatten, bei ihrem Transport nicht mitgenommen werden durften. Ebenso hat die Verwaltung den Eisschrank, die Lebensmittel und die Küchengeräte nicht mittransportiert, die sie aus ihrem eigenen Geld allmählich über die Jahre erworben hatten und sie gezwungen, mit der Gefängniskost zu überleben, die bekanntermaßen weder qualitativ noch quantitativ ausreicht. Üblicherweise müssen die Gefangenen deshalb Nahrungsmittel im Laden des Gefängnisses kaufen und Mahlzeiten auf eigene Kosten zubereiten.
„Die unsäglichen Bedingungen im Gefängnis Raja’i Shahr entsprechen einem Muster von grausamer und inhumaner Behandlung, das schon mehrfach bei der rücksichtslosen Behandlung von Gefangenen in der Obhut des Iran beschrieben wurde“, sagt Magdalena Mughrabi.
„Alle Gefangenen sollten mit dem Respekt und der Menschlichkeit behandelt werden, die den internationalen Standards von Menschenrechten entspricht. Wenn sie eine besondere medizinische Versorgung brauchen, so müssen sie in Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses gebracht werden“.
Außerdem sagen die Gefangenen, dass sie bei ihrem Transport nach Sektion 10 vom Wachpersonal geschlagen wurden und dass ihnen verwehrt wurde, ihre vorgeschriebenen Medikamente und ihre persönliche Habe mitzunehmen wie Kleidung, Bücher und Briefe. Ein Teil ihres persönlichen Eigentums, darunter Notebooks, Fotos, Briefe und andere Erinnerungsstücke, die die letzte Quelle von Annehmlichkeiten in einer ansonsten trostlosen Situation waren, wurden danach zerstört.
Die Gefangenen im Hungerstreik haben eine Reihe von Forderungen aufgestellt, darunter die Rückgabe ihres Eigentums, Schadenersatz und die, dass die Behörden sich sofort mit den grauenhaften Umständen befassen, die ihr physisches und seelisches Wohlergehen ernsthafter Gefahr aussetzen.
Amnesty International ruft die iranischen Behörden auf, internationalen Beobachtern, darunter der Sonderberichterstatterin der UNO über die Menschenrechtslage im Iran, zu erlauben, unabhängige und unangekündigte Inspektionen im Gefängnis Raja’i Shahr durchzuführen und ebenso auch in anderen Gefängnissen im ganzen Land.