Iran: Protest gegen grausame und unmenschliche Haftbedingungen

Im Iran werden politische Gefangene zusätzlich bestraft, indem sie menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt werden, die eine ernste Gefahr für ihre Gesundheit darstellen. Dagegen protestieren mehrere Gefangene im Raja’i-Shahr-Gefängnis unweit von Teheran mit einem Hungerstreik. Ihnen bleibt keine andere Wahl als ihr eigenes Leben zu riskieren, um auf die Grausamkeiten und Misshandlungen aufmerksam zu machen.

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Im berüchtigten Raja’i-Shahr-Gefängnis in der Stadt Karaj unweit von Teheran protestieren mindestens 18 politische Gefangene mit einem Hungerstreik gegen die grausamen, unmenschlichen und entwürdigenden Bedingungen, denen sie in diesem Gefängnis ausgesetzt sind.

Ende Juli wurden über 50 politische Gefangene, die zum Teil seit Jahren in diesem Gefängnis inhaftiert sind, gewaltsam in den Trakt 10 verlegt. Unter ihnen sind Menschenrechtsverteidiger, Gewerkschafter, Journalisten, Studenten, politische Dissidenten und Angehörige der verfolgten Glaubensgemeinschaft der Baha’i. Gefangene berichteten, sie seien während der Verlegung von Wachmännern geschlagen worden. Sie durften ihre Medikamente und ihre persönliche Habe, wie Kleidung, Bücher und Briefe, nicht mitnehmen. Ein Teil ihres persönlichen Besitzes, darunter Tagebücher, Fotos, Briefe und andere Erinnerungsstücke, wurden danach vernichtet.

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Das berüchtigte Raja’i-Shahr-Gefängnis in der Stadt Karaj

Im Trakt 10 herrschen verschärfte Haftbedingungen. In den Zellen sind die Fenster mit Metallplatten abgedeckt, und den Gefangenen wird der Zugang zu sauberem Trinkwasser, notwendigen Nahrungsmitteln und einer ausreichenden Zahl an Betten verweigert. Außerdem wurden Familienbesuche verboten, und die Häftlinge haben auch keinen Zugang zu Telefonen, wie sie in anderen Teilen des Gefängnisses zur Verfügung stehen.

Einem Bericht von Amnesty International zufolge sind seit der Verlegung mindestens 18 politische Gefangene im Hungerstreik. Anfang August wurden einige der Hungerstreikenden bis zu 12 Tag lang in Einzelhaft gehalten, um sie für ihren friedlichen Protest zu bestrafen. Die Gefangenen fordern u.a. die Rückgabe ihres Besitzes, Entschädigung für erlittene Schäden und die Verbesserung der furchtbaren Haftbedingungen, die eine Gefahr für ihre körperliche und seelische Gesundheit darstellen.

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Zu den hungerstreikenden Gefangenen gehört der Dozent Peyman Koushak-Baghi (im Bild mit seiner Frau und seinem Sohn vor der Inhaftierung). Er wurde wegen seines Baha’i-Glaubens zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seine Frau Azita Rafizadeh ist ebenfalls wegen ihres Glaubens seit Oktober 2015 im Teheraner Evin-Gefängnis in Haft.

Wie Amnesty International berichtet, wurden die Fenster im Trakt 10 mit Metallplatten abgedeckt und alle Türen und Öffnungen versiegelt, so dass die Zellen praktisch luftdicht verschlossen sind. Dies führt zu einer reduzierten Luftzirkulation und feuchten Zellen, sodass die Gesundheit der Gefangenen gefährdet wird, insbesondere wenn sie schon an schweren Krankheiten leiden.

Die Häftlinge protestieren außerdem dagegen, dass Dutzende von Überwachungskameras und Abhörgeräten in diesem Bereich des Gefängnisses installiert wurden, auch in den Toiletten und Duschen, was einen schweren Verstoß gegen ihr Recht auf eine Privatsphäre darstellt.

Dazu erklärte Magdalena Mughrabi, Nahost-Expertin bei Amnesty International: „Die Tatsache, dass die Haftbedingungen sich so sehr verschlechtert haben, dass verzweifelte Gefangene sich gezwungen sehen, in einen Hungerstreik zu treten, um grundlegendste menschenwürdige Bedingungen einzufordern, ist eine Schande und zeigt, wie dringend das grausame Gefängnissystem des Iran reformiert werden muss. Die iranischen Verantwortlichen müssen dringend sicherstellen, dass ausreichend Essen, Trinkwasser, Medikamente, ärztliche Versorgung und sanitäre Anlagen für alle Gefangenen des Raja’i-Shahr-Gefängnisses zur Verfügung stehen. …. Es geht hier um Menschen, die überhaupt nicht in Haft sein dürften. Aber anstatt sie freizulassen, werden sie zusätzlich bestraft, indem man sie diesen erschreckenden Haftbedingungen aussetzt“.

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Auch der christliche Gefangene Ebrahim Firoozi befindet sich im Hungerstreik. Er hat bereits mehr als fünf Jahre in den Gefängnissen des Teheraner Regimes verbracht. Ihm wird vorgeworfen, den christlichen Glauben angenommen zu haben und missionarisch tätig gewesen zu sein.

Mehrere Gefangene, so Amnesty International, wurden Mitte August nach einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands in die Krankenstation des Gefängnisses verlegt. Darunter sind Adel Naimi, Farhad Dahandaj und Peyman Koushak-Baghi, Gefangene, die der Glaubensgemeinschaft der Baha’i angehören, sowie der Hochschulabsolvent Hamid Babaei, der Journalist und Blogger Saeed Pour Heydar und der Menschenrechtsverteidiger Jafar Eghdami. Gefängnisärzte warnten, dass einige dieser Personen dringend ärztliche Versorgung durch Spezialisten außerhalb des Gefängnisses benötigten, jedoch weigerte sich der Gefängnisleiter, eine Verlegung in ein Krankenhaus zu genehmigen.

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Der Menschenrechtsaktivist Saeed Shirzad gehört ebenfalls zu den Hungerstreikenden. Er wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er humanitäre Hilfe für Waisen und Straßenkinder geleistet und Kinder von politischen Gefangenen bei der Ausbildung unterstützt hat.

Amnesty International zufolge stellen diese repressiven Maßnahmen sowie das Verbot von Telefonanrufen und Familienbesuchen offenbar den Versuch der iranischen Stellen dar, politische Gefangene von der Außenwelt zu isolieren und die Verbreitung von Informationen über die zahlreichen Menschenrechtsverstöße zu minimieren, die sie regelmäßig im Raja’i-Shahr-Gefängnis erdulden müssen.

„Die erschreckenden Haftbedingungen im Raja’i-Shahr-Gefängnis weisen ein Muster grausamer und unmenschlicher Behandlung auf, das immer wieder die unbarmherzige Haltung des Iran gegenüber seinen Gefangenen gekennzeichnet hat“, erklärte Magdalena Mughrabi. „Alle Gefangenen sollten mit Würde und Menschlichkeit behandelt werden, wie es den internationalen Menschenrechtsstandards entspricht. Diejenigen, die auf spezialisierte ärztliche Versorgung angewiesen sind, müssen in Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses verlegt werden.”

Amnesty International fordert die iranischen Verantwortlichen auf, zuzulassen, dass internationale Beobachter, darunter die UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage im Iran, unabhängige und unangekündigte Inspektionen des Raja’i-Shahr-Gefängnisses und anderer Gefängnisse im Iran durchführen.

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Exiliraner machen mit Mahnwachen auf die Notlage der politischen Gefangenen im Iran aufmerksam.