1988 wurden im Iran Tausende politische Gefangene hingerichtet. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind bis heute unaufgeklärt und ungesühnt. Hochrangige Funktionäre des aktuellen Regimes im Iran waren an dem Massaker von 1988 direkt beteiligt. Amnesty International fordert internationale Maßnahmen, damit die Massenhinrichtungen aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Im Dezember veröffentlichte Amnesty International einen neuen Bericht zu den Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran im Jahre 1988. Grundlage des Berichts sind Zeugenaussagen von zahlreichen Familienangehörigen der Hinrichtungsopfer und überlebenden Gefangenen sowie umfassende Auswertungen von Dokumenten und Archivmaterial.
Das Gefängnismassaker des Jahres 1988 ist einer der grausamen Höhepunkte der Verfolgung von Oppositionellen und Andersdenkenden im Iran und zählt zu den schwersten Menschenrechtsverbrechen des dort herrschenden Regimes. Bis heute sind die Massenhinrichtungen immer noch unaufgeklärt und ungesühnt.
Im Spätsommer und Herbst 1988 wurden in den Gefängnissen Irans täglich Massenhinrichtungen an politischen Gefangenen vollstreckt. Unter den Opfern waren Tausende von Gefangenen, die schon jahrelang unter unmenschlichen Bedingungen in Haft waren und gegen sie verhängte Freiheitsstrafen verbüßten. Auch zahlreiche ehemalige politische Gefangene wurden in dieser Zeit erneut in Haft genommen und „verschwanden“ dann spurlos. Unter den Opfern waren viele Frauen und Männer, die wegen Verteilen von Flugblättern, Teilnahme an Demonstrationen oder der finanziellen Unterstützung der Familien von politischen Gefangenen inhaftiert waren.
Ausstellung von Exiliranern im Gedenken an die Opfer der Massenhinrichtungen von 1988
Die Hingerichteten wurden von ihren Henkern in namenlosen Massengräbern verscharrt. Die Familienangehörigen wurden im Spätherbst 1988 lediglich über den Tod der Gefangenen benachrichtigt, ohne weitere Informationen zu erhalten. Über die Exekutionen zu sprechen oder Trauerfeierlichkeiten abzuhalten, war strengstens verboten. Auch über die Orte, wo die Opfer verscharrt wurden, schweigen die Behörden bis heute. Augenzeugen und Familienangehörige wurden eingeschüchtert und bedroht, damit keine Informationen über das Massaker an die Außenwelt gelangen.
Dokumente belegen, dass viele hochrangige Funktionäre des aktuellen Regimes im Iran an dem Massaker von 1988 direkt beteiligt waren. Menschenrechtler rufen dazu auf, dass die Täter und Verantwortlichen nach internationalem Recht strafrechtlich verfolgt werden müssen. Derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben, gleichgültig wann sie begangen wurden.
Im Bericht „Blood-soaked secrets: Why Iran’s 1988 prison massacres are ongoing crimes against humanity“ beschreibt Amnesty, wie 1988 mindestens 5000 Gefangene gezielt ermordet worden sind, um jeden politischen Dissens zu ersticken. In ganz Iran wurden damals Gefangene – mit verbundenen Augen und gefesselt – gruppenweise vor sogenannte „Todeskommissionen“ gebracht und im Geheimen exekutiert.
In einer Pressemitteilung von Amnesty International heißt es dazu u.a.:
Der Bericht dokumentiert auch, wie die iranischen Behörden in den vergangenen 30 Jahren versucht haben, die Massaker zu leugnen und vertuschen. Dabei wurden Angehörige mutmaßlicher Opfer drangsaliert und eingeschüchtert sowie Massengräber zerstört.
„Die Tatsache, dass das iranische Regime es den Angehörigen bis heute verwehrt, etwas über das Schicksal der damals Verschwundenen zu erfahren, bringt unfassbares Leid über viele Familien. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit dauern damit bis heute an“, so Philip Luther, Amnestys Research- und Advocacy-Direktor für den Nahen Osten.
Gleichzeitig ist bis heute niemand für die Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden; vielmehr bekleiden etliche Verantwortliche heute höchste Positionen im Regierungs- und Justizapparat. Dies betrifft etwa den heutigen Justizminister Alireza Avaei, der damals in der Provinz Khusestan als Staatsanwalt und Mitglied der „Todeskommission“ amtierte oder sein Amtsvorgänger im Justizministerium, Mostafa Pour Mohammadi, der 1988 als Vertreter des Geheimdienstes in der „Todeskommission“ in Teheran saß.
Amnesty International ruft die iranischen Behörden auf, die Massaker umfassend aufzuarbeiten, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Angehörigen zu gestatten, die Hingerichteten mittels Zugang zu Massengräbern und DNA-Analysen zu identifizieren, sowie sie für das Erlittene zu entschädigen.
Auch die UNO hat bis heute darin versagt, die Massaker auf die internationale Traktandenliste zu setzen. Amnesty fordert die UNO auf, einen unabhängigen und effektiven Mechanismus zur Aufarbeitung und Ahndung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Iran 1988 zu schaffen.