Im Iran wird insbesondere politischen Gefangenen absichtlich der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung verweigert. Dies ist ein vorsätzlicher Akt der Grausamkeit, um die Gefangenen einzuschüchtern und zu bestrafen.
Acht Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen haben das Teheraner Regime am 10. Juli aufgefordert, den Gefangenen im Iran umgehend die dringend benötigte medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Sie äußerten sich tief besorgt darüber, dass den Häftlingen im Iran systematisch die notwendige ärztliche Versorgung verweigert wird, und wiesen besonders auf den lebensbedrohlichen Gesundheitszustand von mehrere politischen Gefangenen hin.
Bei vier der in der Erklärung genannten Gefangenen habe die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen bereits zuvor festgestellt, dass ihre Gefangenschaft willkürlich und damit unrechtmäßig ist. Die UN-Experten forderten die sofortige Freilassung dieser und aller anderen willkürlich festgehaltenen Gefangenen im Iran und insbesondere aller Personen, die wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte in Haft sind.
Bei den UN-Expertinnen und -Experten, die alle renommierte Wissenschaftler im Bereich der Menschenrechte und des Völkerrechts sind, handelt es sich um (im Bild v.l.n.r.):
- Dainius Puras (Litauen), Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit
- Michel Forst (Frankreich), Sonderberichterstatter über die Lage von Menschenrechtsverteidigern
- David Kaye (USA), Sonderberichterstatter zur Meinungsfreiheit
- José Antonio Guevara Bermúdez (Mexiko), Sprecher der UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen
- Fionnuala Ní Aoláin (Irland), Sonderberichterstatterin zu Menschenrechten bei der Bekämpfung von Terrorismus
- Agnes Callamard (Frankreich), Sonderberichterstatterin zu außergerichtlichen, standrechtlichen oder willkürlichen Hinrichtungen
- Nils Melzer (Schweiz), Sonderberichterstatter über Folter
- Javaid Rehman (Pakistan), Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im Iran
Nach Angaben von Menschenrechtlern wird im Iran insbesondere politischen Gefangenen absichtlich der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung verweigert. Dies ist ein vorsätzlicher Akt der Grausamkeit, um die Gefangenen einzuschüchtern und zu bestrafen oder um sie zu Reuebekundungen oder „Geständnissen“ zu zwingen. Zahlreiche Gefangene sind aufgrund dieser Praktiken in iranischen Gefängnissen zu Tode gekommen oder haben bleibende gesundheitliche Schäden erlitten.
In den Gefängnissen des Teheraner Regimes sind folgende Praktiken üblich, die die Gesundheit und das Leben von Gefangenen gefährden: Dringend notwendige oder fachärztliche medizinische Behandlungen werden verzögert oder gänzlich verweigert. Der Ernsthaftigkeit von Erkrankungen wird heruntergespielt oder ignoriert. Es werden gewöhnliche Schmerz- oder Beruhigungsmittel verschrieben, ohne die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln. Medikamente werden zurückgehalten. Oft werden Gefangene, die im Krankenhaus sind oder aus Gesundheitsgründen freigelassen wurden, dazu gezwungen, die Behandlung zu unterbrechen und gegen ärztlichen Rat ins Gefängnis zurückzukehren.
Arash Sadeghi vor seiner Inhaftierung und nach seiner Krebsoperation
Zu den Gefangenen, die in der Erklärung der UN-Experten genannt werden, gehört der Menschenrechtsverteidiger Arash Sadeghi, der seit 2016 in unrechtmäßiger Haft ist. Er wurde zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er sich gegen die Todesstrafe eingesetzt und Berichte über Menschenrechtsverletzungen untersucht und veröffentlicht hat.
Der im Rajai-Shahr-Gefängnis in der Stadt Karaj nahe Teheran inhaftierte Gefangene ist an einem bösartigen Knochentumor im rechten Arm erkrankt. Die Gefängnisleitung verweigerte ihm zunächst monatelang die notwendige medizinische Behandlung. Mitte September 2018 wurde Arash Sadeghi schließlich in einem Krankenhaus operiert. Aber nur wenige Tage nach der Operation wurden die Ärzte daran gehindert, die Behandlung fortzusetzen, und der schwer kranke Patient wurde in das Gefängnis zurückgebracht. Sein Gesundheitszustand ist besorgniserregend.
Weil Arash Sadeghi an seinen Überzeugungen festhält, wird ihm im Gefängnis vorsätzlich medizinische Hilfe verweigert, um ihn zu bestrafen und zu foltern. Er muss sofort freigelassen und in einer Spezialklinik behandelt werden.
Die UN-Experten weisen auch auf den Fall der britischen Stiftungsmitarbeiterin Nazanin Zaghari-Ratcliffe (im Bild mit ihrer Tochter) hin, die seit über drei Jahren im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten wird und in der Haft schwer erkrankt ist.
Die 41-jährige Nazanin Zaghari-Ratcliffe arbeitete bis zu ihrer Verhaftung für die gemeinnützige Journalistenstiftung Thompson Reuters in London. Sie war mit ihrer Tochter Gabriella zu Besuch bei ihrer Familie in Teheran, als sie am 3. April 2016 festgenommen wurde. Seither ist sie in Haft. Die inzwischen fünfjährige Gabriella ist in der Obhut der Großeltern in Teheran und darf ihre Mutter nur im Gefängnis sehen. Auch von ihrem in London lebenden Vater ist Gabriella getrennt, da er nicht in den Iran einreisen darf.
Im September 2016 wurde Nazanin Zaghari-Ratcliffe aufgrund konstruierter Anklagen wegen angeblicher „Umsturzversuche“ im Iran zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Stiftungsmitarbeiterin war nie an politischen Aktivitäten im Iran beteiligt. Wie Iran-Experten bestätigen, nutzt das Regime in Teheran ihre Gefangenschaft als politisches Druckmittel – wie es auch bei anderen Gefangenen mit doppelter Staatsbürgerschaft der Fall ist.