Die Nuklearvereinbarung mit dem Iran wird nicht zu einem Wandel im Lande führen
Erstellt: 26. September 2015
Ein angesehener Iran-Experte erklärt: Wer glaubt, die am 14. Juli mit dem Iran abgeschlossene Nuklearvereinbarung werde in Teheran zu einem gründlichen Wandel führen, irrt ernsthaftMohammad Amin, ranghoher Mitarbeiter der in Paris ansässigen „Fondation d’Études pour le Moyen-Orient“ (Stiftung für Nahoststudien), schrieb am Mittwoch auf TownHall.com:
Wird die Nuklear-Vereinbarung mit dem Iran eine bedeutende Annäherung an den Westen einleiten? In einigen Hauptstädten wird auf eine Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen gesetzt – als Mittel, um die Theokratie zum Respekt vor den internationalen Werten zu bewegen. Mit der Ausbreitung des Handels, so besagt die Theorie, werde Teheran sich allmählich an die internationale Ordnung anpassen; es werde sein Handeln ändern und alte, destruktive Haltungen abtun, darunter sein Beharren auf nuklearer Bewaffnung. Doch diese Einschätzung ist nicht nur allzu optimistisch, sie ist im Kern verfehlt. Dem hoffnungsfrohen Optimismus steht entgegen, daß die iranische Wirtschaft und Politik eben nicht jener Inbegriff von Stabilität und Stärke sind, auf den ausländisches Kapital setzen könnte. Die Forderungen des Volkes werden vernehmlicher, doch die herrschende Clique bleibt unfähig, ihnen entgegenzukommen; daher wird im Iran die politische Unruhe zunehmen. Der Zank der Fraktionen innerhalb des Regimes wird diese Tendenz nicht zur Ruhe bringen, sondern verstärken.
Das westliche Interesse am Iran konzentriert sich weniger auf direktes Investieren als vielmehr auf die Hoffnung, daß zur Steigerung des westlichen Konsums Exporte erwidert werden.Man nehme Deutschland als Beispiel: Selbst während des Ölembargos der jüngsten Vergangenheit hat das Land Gegenstände im Wert von etwa $3 Milliarden in den Iran exportiert. Unlängst sind Handelsdelegationen in das Land gereist, doch „die meisten Firmen werden einstweilen keine eigenen Produktionsstätten in dem Land errichten,“ sagt Hubertus Bardt vom „Deutschen Wirtschaftsinstitut“. Mit anderen Worten, sie werden vor allem bedacht sein, mehr Waren an den Iran zu verkaufen – eher, als an direkte Investitionen zu denken.Doch nach jahrzehntelanger Mißwirtschaft hat die Kaufkraft des durchschnittlichen iranischen Konsumenten dramatisch abgenommen. Wenn es je eine Schicht gab, die man annähernd als Mittelschicht bezeichnen konnte, ist sie nun geradezu dezimiert. Im Jahre 2012 schrumpfte die Wirtschaft – noch bevor die Sanktionen zuschlugen – um 6, 8%. Dies Schwinden war in der iranischen Geschichte ohne Beispiel und führte zu unumkehrbaren Konsequenzen. Jahrelang wurde der Iran von den steigenden Ölpreisen verwöhnt, jetzt aber befindet er sich in ernsten Schwierigkeiten. Die Wirtschaft, bei der man nicht einmal von einer moderaten Industrialisierung sprechen kann, würde eine sprunghafte Zunahme von 6% benötigen, um die gegenwärtige Rezession zu bewältigen. Dem Internationalen Währungsfonds zufolge müßte der Ölpreis auf mindestens $100 ansteigen, um dem Land einen ausgeglichenen Haushalt zu bescheren.In den zurückliegenden 25 Jahren war die Inflationsrate nicht über die Grenze von 25% gestiegen. Doch im letzten Jahrzehnt erreichte die offizielle Marke 40%; unabhängige Beobachter rechnen damit, daß sie der Grenze von 60% nahe kommt. Der Iran benötigt massive Investitionen, wenn er die Tendenz umkehren will. Da eine robuste Ökonomie im Lande nicht vorhanden ist, könnten solche Investitionen nur aus dem Ausland kommen.Gegenwärtig verfügt das „Corps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC)“ über ein gewaltiges Monopol, das schätzungsweise 50% der iranischen Inlandproduktion umfaßt. Die ausgedehnten Geschäfte des IRGC sind großenteils steuerfrei. Mit einem bedeutenden Anteil der Gewinne werden Terrorismus und Eskapaden im Ausland finanziert, darunter in Syrien, im Jemen und im Irak. Man erwartet, daß diese Tendenz nach Aufhebung der Sanktionen noch stärker wird. Die im Juli getroffene Vereinbarung aber hat die Aufhebung der Sanktionen vorbereitet. Doch wenn man sich nun im Westen als Resultat gewaltige Gewinne verspricht, ist das stark übertrieben. Die Erwartung, daß es im wirtschaftlichen Umgang mit dem Iran zu einem Wechsel kommt, ist zumindest auf absehbare Zeit unrealistisch. Bedeutende wirtschaftliche Bindungen an den Iran – und Annäherung durch deren Zunahme – würden eine massive Veränderung seiner Ökonomie und politischen Wandel und Stabilität erfordern. In der ganzen Zeit ihres chaotischen Bestehens hat sich die Macht der Theokratie auf drei Pfeiler gestützt: Unterdrückung im Inneren, Export des Terrorismus und Streben nach Atomwaffen. Da nun der dritte Pfeiler – zumindest für eine kurze Zeit – in den Schatten gerückt wurde, muß der Höchste Führer Ali Khamenei die beiden anderen verstärken; dadurch werden die Risse im politischen System vertieft werden, und die Instabilität wird zunehmen. Er beharrt, was nicht überraschen kann, darauf, daß der Iran seine „Freunde“ in der Region nicht aufgeben, dafür aber die Infiltration durch den Westen, besonders durch die USA, unterbinden wird. Westliche Politiker wie der Vizekanzler Deutschlands sind unlängst in den Iran gereist und haben Teheran aufgefordert, seine Politik zu ändern – als Vorbedingung eines Aufbaus des Handels. „Wenn das Existenzrecht dieses Staates (d. h. Israels) in Frage gestellt wird, ist das eine Sache, die wir Deutschen nicht akzeptieren können,“ sagte Sigmar Gabriel während seines Besuchs. Die gegenwärtige Regierung von Hassan Rouhani ist weder gewillt noch fähig, substantielle wirtschaftliche Reformen in Angriff zu nehmen, denn diese müßten politische Reformen nach sich ziehen, die das Überleben des Regimes gefährden würden. Khamenei und das IRGC werden weiter an dem Wachstum ihres finanziellen Imperiums arbeiten. Ihre terroristischen Helfer wie die Hisbollah und andere werden weiterhin von Teherans Großzügigkeit profitieren. Wenn Teheran jetzt das Gegenteil vorgaukelt, ist das politisches Theater – weit eher als ein wirklicher Versuch, die Dinge zu verändern. Wer auf die theokratischen Beherrscher in Teheran setzt, die den Forderungen des Volkes die kalte Schulter zeigen, der setzt auf das falsche Pferd. Wer die Nuklearvereinbarung als Katalysator einer fundamentalen Veränderung in Teheran ansieht, hat sie ernsthaft mißverstanden.