NWRI- Am vergangenen Sonntag ging eine Tonbandaufnahme durch die staatlichen Medien des Iran; darin kam auch Mohammad Javad Zarif, der Außenminister des Iran, vor – mit seltenen kritischen Erklärungen gegen Qassem Soleimani, den Leiter der terroristischen Quds-Truppe des Corps der Islamischen Revolutionsgarden, der im Januar 2020 durch einen Drohnenschlag der USA getötet worden war.
Auf den Tod Soleimanis antwortete das Regime mit großem propagandistischen Aufwand, um den notorischen Terroristen als eine Gestalt hinzustellen, die im Iran und überall auf der Welt große Popularität genossen habe. An dieser Propaganda nahm die gesamte „reformistische“ Fraktion der iranischen Politik teil, darunter auch Zarif und Hassan Rouhani, der Präsident des Regimes.
Zarifs Ausführungen in der Tonbandaufnahme zeigen, daß die angeblichen Differenzen zwischen den Fraktionen des Regimes nur vorgegeben wurden; sie sollten eine Routine des „guten und des schlechten Cop“ begründen, und damit sollten ausländische Gegner ermuntert werden, durch das Angebot von Konzessionen gegenüber „moderaten“ Funktionären die Drohungen der Hardliner zu mildern.
Der iranische Außenminister Javad Zarif und der Häuptling der Terroristen Qassem Soleimani – die beiden Seiten derselben Medaille
Dies Gefühl wurde während der landesweiten Demonstrationen im Januar 2018 und November 2019 von einem großen Teil der iranischen Bevölkerung bekräftigt, und beide Seiten waren sich darin einig. Zu den provozierend gegen die Regierung gerichteten Slogans dieser Demonstrationen gehörte einer, der beide politischen Fraktionen miteinander gleichsetzte und erklärte: „Das Spiel ist aus.“ Mit anderen Worten: Die Aufstände bekundeten die populäre Forderung eines gänzlich neuen Regierungssystems, das den Elementen eines demokratischen Systems entsprechen würde, wie der NWRI es entworfen hatte.
Während diese Aufstände weiterhin nachwirken und die Farce der Präsidentenwahl näher rückt, ist die Folgerung vernünftig, daß Zarif damit beschäftigt ist, die angeblichen Differenzen zwischen der „reformistischen“ Fraktion und der Fraktion der Hardliner, die Ali Khamenei, dem Höchsten Führer des Regimes, dem IRGC und Soleimani zugeordnet wird, hoch zu spielen. Wenn weithin angenommen wird, daß diese Differenzen echt sind, dann mag darin für die ausländischen Mächte, darunter jene, die das umstrittene Nuklearabkommen von 2015 unterzeichnet haben, ein Anreiz liegen, sich um die „gemäßigte“ Fraktion zu kümmern und somit ihre politische Bedeutung in einer Zeit zu erhalten, in der es den Anschein hat, daß sie keinen bedeutenden Anteil an der nächsten Regierung erhalten wird.
Doch das Elend von Zarifs Schachzug besteht darin, daß – wie die durchgesickerte Tonbandaufnahme wirksam bestätigt – er, seitdem er nominell der Leiter des Außenministeriums ist, an den die iranische Außenpolitik betreffenden Entscheidungen nur wenig beteiligt war. „Meine Diplomatie hat immer den Preis für die militärische Tätigkeit des Märtyrers Qassem Soleimani entrichtet; es war aber nicht umgekehrt“ – das sagte er an einer Stelle seines dreistündigen Interviews.
Diese Bemerkung macht klar, daß sich die beiden Männer in der Außenpolitik nicht einig waren; außerdem räumt sie ein, daß es die Fraktion der Hardliner war, welche die Außenpolitik des Regimes im Ganzen entwarf. In früheren, in der Öffentlichkeit bekannteren Erklärungen hatte er sich expliziter geäußert. „Unsere Außenpolitik folgt der Autorität des Imam“ – so hatte er sich einst über den Höchsten Führer geäußert. „Und die die auswärtigen Angelegenheiten betreffende allgemeine Politik wurde von ihm bestimmt.“
Diese Ehrerbietung erstreckte sich nicht nur auf Khamenei, sondern auch auf Soleimani – lange bevor Zarif den Kommandeur der Quds-Truppe, mehr als ein Jahr nach seinem Tode, auf beschwichtigende Weise kritisierte. Im Jahre 2019 wurde Zarif nach der Verhängung neuer Sanktionen über das Paramilitär der Hardliner durch die USA vom Hauptquartier des IRGC zu einem Besuch eingeladen. Zarif bezeichnete diese Einladung als große Ehre und prahlte in der dabei gehaltenen Rede, er habe sich jede Woche mit Soleimani getroffen, um mit ihm über die Strategie zu diskutieren und die beiden gemeinsame außenpolitische Linie zu bekräftigen. Während dieser Diskussionen hätten, so fuhr er fort, die beiden Männer „niemals das Gefühl einer Differenz gehabt“.
Mit seiner Beschwerde, der von Soleimani vertretene Militarismus überschatte die Diplomatie des Außenministeriums, wendet Zarif ein rhetorisches Muster an, das in verschiedenen innenpolitischen Angelegenheiten begegnet; damit soll erklärt werden, warum nach den fast acht Jahren von Rouhanis Präsidentschaft in Sachen der Reformen kein beträchtlicher Fortschritt erzielt wurde.
Während seiner Wahlkampagne im Jahre 2013 hatte Rouhani versprochen, er werde sich für eine freiere, offenere Gesellschaft im Iran einsetzen. Doch nichts änderte sich; nach Berichten von „Iran Human Rights“ sind während der siebeneinhalb Jahre von Rouhanis Präsidentschaft 4 047 Menschen hingerichtet worden.
Während das Regime alle seine bösartigen Tätigkeiten fortsetzte, wurde immer dasselbe Argument verwandt, um zu versichern, daß die Reformer nicht die Macht hätten, westliche Geiseln zu befreien, die von den Behörden der Hardliner festgehalten würden; ferner nicht in der Lage, die Rechte der Frauen zu verstärken, die über das Internet und die sozialen Netzwerke verhängten Beschränkungen aufzuheben usw. Jetzt behauptet Zarif eindeutig, seine Fraktion sei ebenso wenig in der Lage, eine weniger konfrontative Außenpolitik zu gestalten. Daher sollten sich die europäischen und amerikanischen Politiker fragen: Welchen Wert hat es noch, auf eine angeblich gemäßigte Fraktion zu setzen, wenn deren Mitglieder offen zugeben, daß ihre Kollegen von der Fraktion der Hardliner die Verantwortung tragen?
Dieser Zustand ist innerhalb des iranischen Regimes zeitlich nicht begrenzt. Die politische Herrschaft der Hardliner gehört zur Struktur des iranischen Regimes; und innerhalb dieser Struktur besteht die einzige Funktion der Reformer darin, der Welt vorzugaukeln, es könnte auch anders sein.