Amnesty International Report 2016/17: Schwerste Menschenrechtsverletzungen im Iran

„Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Behörden verhängten und vollstreckten nach wie vor grausame Körperstrafen wie Auspeitschungen und Zwangsamputationen. … Die Behörden verhängten zahlreiche Todesurteile und richteten Hunderte von Menschen hin, einige von ihnen in der Öffentlichkeit.“

Am 22. Februar wurde der Amnesty International Report 2016/17 veröffentlicht, der Auskunft über die aktuelle Lage der Menschenrechte in 159 Ländern und Territorien gibt. Amnesty International beklagt darin, dass grundlegende Menschenrechtsprinzipien weltweit zunehmend bedroht sind. „Für eine globalisierte Welt sind globale Menschenrechtsstandards eine wesentliche Grundlage für Frieden und Sicherheit. Wenn mehr und mehr Staaten den politischen Willen vermissen lassen, die Menschenrechte zu stärken, dann droht ein Domino-Effekt“, so Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Es wird darauf ankommen, dass Menschen weltweit für die Stärkung der Menschenrechte – im eigenen Land wie im Ausland – eintreten. Wir erleben eine kritische Zeit, in der es gilt, historische Errungenschaften wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte entschlossen zu verteidigen.“

Für den Iran dokumentiert Amnesty International anhaltende schwerste Menschenrechtsverletzungen. Zur Lage im Iran im Jahre 2016 heißt es in dem Report u.a.:

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2016 weiterhin stark eingeschränkt. Personen, die friedlich Kritik äußerten, wurden festgenommen und nach grob unfairen Verfahren von Revolutionsgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weiterhin an der Tagesordnung und blieben straflos. Die Behörden verhängten und vollstreckten nach wie vor grausame Körperstrafen wie Auspeitschungen und Zwangsamputationen. Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten wurden diskriminiert und strafrechtlich verfolgt. Frauen und Mädchen erlitten Gewalt und Diskriminierung in vielfacher Weise. Die Behörden verhängten zahlreiche Todesurteile und richteten Hunderte von Menschen hin, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Unter den Hingerichteten waren mindestens zwei Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Es war nach wie vor üblich, Inhaftierte zu foltern und anderweitig zu misshandeln, insbesondere während Verhören, um auf diese Weise „Geständnisse“ zu erpressen. Gefangene, die sich in Gewahrsam des Ministeriums für Geheimdienste oder der Revolutionsgarden befanden, mussten routinemäßig lange Zeiträume in Einzelhaft verbringen, was den Tatbestand der Folter erfüllte.

Die Justizbehörden, insbesondere die Staatsanwaltschaft und Gefängnisverwaltungen, verweigerten gewaltlosen politischen Gefangenen und anderen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren, häufig eine angemessene medizinische Behandlung. In vielen Fällen geschah dies, um Gefangene zu bestrafen oder zu „Geständnissen“ zu zwingen.

RECHT AUF RELIGIONS- UND GLAUBENSFREIHEIT

Anhänger der Baha’i-Glaubensgemeinschaft, Sufis, die Gemeinschaft der Ahl-e Haqq und andere religiöse Minderheiten konnten ihren Glauben nicht frei praktizieren und wurden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert, u. a. im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und bei Erbschaftsangelegenheiten. Dies galt auch für Muslime, die zum Christentum konvertiert waren, und für Sunniten.

Staatliche Stellen beteiligten sich an Hassreden gegen Baha’i und duldeten vorurteilsmotivierte Straftaten gegen Anhänger dieser Glaubensgemeinschaft, ohne diese zu ahnden. Zahlreiche Baha’i, die lediglich friedlich ihren Glauben praktiziert hatten, wurden auf der Grundlage von konstruierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert. Vorwürfe, wonach 24 Baha’i in der Provinz Golestan gefoltert worden waren, wurden nicht untersucht. Die Behörden ordneten die Schließung zahlreicher Unternehmen im Besitz von Baha’i an und inhaftierten Studierende dieser Glaubensgemeinschaft, weil diese öffentlich kritisiert hatten, dass Baha’i keinen Zugang zu höherer Bildung hätten.

Zahlreiche zum Christentum konvertierte Personen wurden bei Razzien in Hauskirchen festgenommen, in denen sie friedlich ihren Glauben praktiziert hatten. Heilige Stätten der Baha’i, der Sunniten und der Gemeinschaft der Ahl-e Haqq, darunter Friedhöfe und Gebetsstätten, wurden von Männern zerstört, denen eine Verbindung zu den Sicherheitskräften nachgesagt wurde.

TODESSTRAFE

Die Behörden verhängten 2016 weiterhin zahlreiche Todesurteile, auch gegen Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren. Es wurden Hunderte von Hinrichtungen vollstreckt, oft nach unfairen Verfahren. Einige Exekutionen fanden öffentlich statt.

Die Hingerichteten waren zumeist wegen Drogendelikten verurteilt worden, die nicht zu den „schwersten Verbrechen“ zählten und damit unterhalb der Schwelle liegen, die internationale Menschenrechtsnormen für die Verhängung eines Todesurteils festlegen. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass Gefangene, die vor Inkrafttreten der Strafprozessordnung von 2015 wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden, das Recht hätten, Rechtsmittel einzulegen. Viele Todeskandidaten wussten jedoch nichts von dieser Regelung. Todesurteile ergingen auch für Mord oder aufgrund vage formulierter Anklagen wie „Feindschaft zu Gott“.

Nach der Massenexekution von 25 sunnitischen Männern im August 2016 strahlten die Behörden im Fernsehen erpresste „Geständnisse“ aus, die offenbar dazu dienen sollten, die Männer zu dämonisieren und von den groben Mängeln der Verfahren, in denen diese zum Tode verurteilt worden waren, abzulenken. 2016 wurden mindestens zwei Männer zum Tode verurteilt, die man wegen „Beleidigung des Propheten“ für schuldig befunden hatte, was eine Verletzung ihrer Rechte auf Glaubens-, Religions- und Meinungsfreiheit darstellte.

In den Todeszellen saßen mindestens 78 Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, unter ihnen 15, die zum Tode verurteilt worden waren, nachdem die neuen Leitlinien zur Bestrafung jugendlicher Straftäter im islamischen Strafgesetzbuch von 2013 in Kraft getreten waren. Andere, deren Verfahren gemäß den Leitlinien wiederaufgenommen worden waren, wurden erneut zum Tode verurteilt.

Nach Kenntnis von Amnesty International wurden 2016 zwei zur Tatzeit minderjährige Straftäter hingerichtet, einer von ihnen war Hassan Afshar. Tatsächlich dürfte die Zahl sehr viel höher gewesen sein.