„Der Iran ist Teil des Problems, nicht die Lösung“
Bei der Rettung des Irak kooperieren die USA offenbar auch mit dem Iran. Kann das Mullah-Regime ein Stabilitätspartner sein? Der frühere US-Generalstabschef Hugh Shelton warnt vor solchen Hoffnungen.
Von Daniel-Dylan Böhmer Redakteur Ausland
ِDie Welt Online- Hinter den Kulissen scheint das Joint Venture schon beschlossen zu sein. Der britische Sender BBC berichtet, die USA und der Iran kooperierten auf hoher Kommandoebene bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat und die CNN-Reporterin Christiane Amanpour hat das von iranischen Politikern bestätigt bekommen – entgegen offizieller Dementis aus Teheran. Doch dieses Bündnis stößt auch im Westen auf große Skepsis. General Hugh Shelton gehörte zu den obersten amerikanischen Kommandeuren beim ersten Golfkrieg 1990 und war Generalstabschef der US-Streitkräfte als sich die Terroranschläge vom 11. September 2001 ereigneten. Er warnt davor, den Mullahs zu trauen.
Die Welt: General Shelton, sie gehörten zu der Streitmacht, die Saddam Hussein das erste Mal besiegte. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die aktuellen Ereignisse im Irak sehen?
Hugh Shelton: Das ist sehr enttäuschend, nicht nur für mich, sondern für Amerika insgesamt. Wir haben so viel investiert, damit die Iraker einen Staat aufbauen können, der wirklich ihrer ist, damit sie ohne Saddam leben können. Und jetzt sehen wir, dass wir mit diesem Versuch gescheitert sind. Dieser Staat kann nicht einmal sich selbst verteidigen.
Die Welt: Woran liegt das?
Shelton: Das Problem war in allererster Linie der Einfluss des Nachbarlandes Iran auf die Regierung des schiitischen Premierministers Nuri al-Maliki. Seit dessen Amtsantritt im Jahr 2009 ist es mit dem Irak stetig bergab gegangen. Maliki hat dem Land nicht die Art von starker Führung gegeben, die es nötig gehabt hätte. Im ersten Golfkrieg hat mir einer meiner Gesprächspartner in der Region gesagt: „Wenn Saddam einmal geht, dann braucht es einen genauso starken Nachfolger, der das Volk vereint, statt es zu misshandeln.“ Und genau das hat Maliki nicht getan. Er hat sich nicht darum gekümmert, eine funktionierende Polizei, eine funktionierende Armee aufzubauen. Er hat allein die schiitischen Interessen bedient, weil er unter dem Einfluss des Iran stand. Das hat die derzeitige Spaltung ausgelöst, in der viele Sunniten im Irak die Terrorgruppe Islamischer Staat unterstützen. Das Land steht am Rand eines Bürgerkriegs. Der Iran ist Teil des Problems, nicht der Lösung.
Die Welt: Es scheint, als sähen einflussreiche Entscheider in Washington die Dinge anders als Sie. US-Außenminister John Kerry hat gerade zu einer Anti-IS-Koalition aufgerufen die „beinahe jedes Land“ einschließen soll. Und Senatorin Dianne Feinstein, einflussreiche Außenpolitikerin der regierenden Demokraten, bittet den Iran ausdrücklich um Hilfe bei der Stabilisierung des Irak. Kann Teheran vielleicht wirklich eine konstruktive Rolle spielen?
Shelton: Das ist Wunschdenken. Schon Bill Clinton hat versucht, mit den Iranern als Partner zusammenzuarbeiten. Damals haben wir gesehen, was in so einem Fall passiert: Die Iraner nehmen sich alles, was sie wollen und sie geben im Gegenzug nichts. Sie kooperieren schlichtweg nicht. Sie haben ihre eigene Agenda und die sieht vor, ihren Einfluss nicht nur in den schiitischen Gebieten des Nahen Ostens auszuweiten, sondern auch in den sunnitischen. Sie wollen eine Führungsmacht werden. Und dazu setzen sie auch durchgehend terroristische Mittel ein.
Revolutionsgarden bei einer Parade. Die Elitetruppen des Regimes sind auch im Irak aktiv
Die Welt: Aber im Irak könnte der Iran doch auch mäßigenden Einfluss auf die schiitischen Glaubensbrüder ausüben.
Shelton: Er wird weiter seine eigene Agenda verfolgen. Nehmen Sie den Fall der iranischen Widerstandsgruppe Volksmudschaheddin. Einige Tausend ihrer Mitglieder haben im Irak Asyl gefunden, doch seitdem die schiitische Maliki-Regierung an die Macht kam, wurden sie mit grausamen Methoden verfolgt und misshandelt. Das ist ein plastisches Beispiel dafür, wozu der Iran seinen Einfluss auf irakischem Boden nutzt. Er fürchtet die Volksmudschaheddin, weil sie für einen säkularen Staat eintreten, für Presse- und Meinungsfreiheit. Das macht den in Teheran herrschenden Klerikern natürlich Angst. Die westlichen Staaten haben nach dem Sturz Saddam Husseins versprochen, die Volksmudschaheddin zu beschützen. Aber jetzt bereitet der Iran alles dafür vor, um sie endgültig zu vernichten.
Die Welt: Sie sind jüngst bei einer Veranstaltung der Volksmudschaheddin zur Erinnerung an die Ereignisse in Camp Ashraf aufgetreten. Was wissen Sie über die Situation in Camp Liberty in Bagdad, wohin die überlebenden Volksmudschaheddin und ihre Familien gebracht wurden?
Shelton: Die Lage dort ist schrecklich. Es ist eher ein Gefangenenlager. Die Bewohner können sich nicht frei bewegen, sie bekommen nicht genug Wasser und Nahrungsmittel, sie haben nicht mal eine funktionierende Kanalisation. Dort kann sich jederzeit eine humanitäre Katastrophe ereignen. Wir im Westen sollten endlich unsere Verantwortung wahrnehmen und diesen Menschen helfen.
Die Welt: Den Volksmudschaheddin wird vorgeworfen, sie seien undemokratisch organisiert und hätten selbst terroristische Mittel eingesetzt.
Shelton: Zum zweiten Vorwurf sind Gerichte in den USA und der EU zu dem Schuss gekommen, dass es keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten der Volksmudschaheddin gibt. Es ist eine Tatsache, dass sie in der Vergangenheit nur deshalb als terroristische Organisation geführt wurden, um Teheran gegenüber Appeasement zu betreiben. Sie haben niemals Terror betrieben, sondern einen legitimen Widerstandskampf gegen eine Diktatur. Den Vorwurf, dass die Strukturen der Volksmudschaheddin undemokratisch sind, kenne ich. Aber nach meinen eigenen Erkenntnissen ist das eine Behauptung, die auf das iranische Regime zurückgeht und lediglich die iranische Opposition in Misskredit bringen soll. Ich kenne die Organisation und ihre Programmatik seit mehreren Jahren und weiß, dass sie demokratisch sind.
Die Welt: Was sollten westliche Regierungen denn tun, um den Insassen von Camp Liberty zu helfen?
Shelton: Zwei sehr einfache Dinge. Erstens sollten sie der irakischen Regierung gegenüber klar machen, dass sie die Menschen dort schützen muss, wenn sie die Unterstützung des Westens nicht verlieren will. Und zweitens müssen sie ihre Grenzen öffnen und Bewohner von Camp Liberty als Flüchtlinge aufnehmen.
Die Welt: Und trotzdem will sich die Obama-Administration an Teheran annähern?
Shelton: Obama muss sehr vorsichtig sein. Er darf dem Iran nicht mehr Einfluss in der Region zugestehen. Denn unsere grundsätzlichen Forderungen wird Teheran nicht erfüllen. Vor allem im Atomstreit. Die Iraner werden ihr Nuklearwaffenprogramm nicht einstellen. Dem Westen gegenüber behaupten sie zwar, sie wollten keine Kernwaffen, aber vor dem eigenen Publikum geben sie offen zu, dass sie auch auf Dauer Uran im eigenen Land anreichern wollen – und das ist die Grundlage für ein Atomwaffenprogramm.
Die Welt: Aber nun regiert ein Präsident im Iran, der als moderat beschrieben wird. Könnte es nicht wirklich sein, dass sich Irans Politik wandelt?
Shelton: Das kann man so sehen oder besser: hoffen. Aber solche Phasen der Öffnung und Mäßigung hat es immer wieder mal gegeben und es blieben Phasen. Am Ende liegt die Macht im Iran bei denen, die die Waffen kontrollieren. Und das sind eben nicht die Reformer und Moderaten sondern die radikalen Revolutionsgarden, die den Konservativen Mullahs ergeben sind.