NWRI- Am vergangenen Montag legte die Internationale Atomenergiebehörde ihren neuesten Bericht über die nukleare Tätigkeit des iranischen Regimes vor; es geschah vor dem Hintergrund der anhaltenden Wiener Gespräche, die das Ziel verfolgen, das Abkommen zwischen dem iranischen Regime und sechs Staaten, das als Gemeinsamer Plan umfassenden Handelns bekannt ist, wieder in Kraft zu setzen. Einige Tage vor der Veröffentlichung des Berichts äußerte Rafael Grossi, der Generaldirektor der IAEA, Zweifel daran, daß dies Ziel zu erreichen sei. Er erklärte vor Reportern zum Beispiel, es sei „nicht möglich“, das Abkommen in seiner ursprünglichen Form wiederherzustellen; denn „der Iran hat Wissen, Zentrifugen und Material angesammelt“.
Der Bericht von Montag macht klar, daß das Wissen von diesen Ansammlung begrenzt ist. Angesichts der Bemühungen Teherans, seine Zusammenarbeit mit der IAEA zu reduzieren – und dies in derselben Zeit, in der iranische Funktionäre Druck auf die USA ausübten, sich dem Abkommen erneut anzuschließen, waren einige Beschränkungen zu erwarten. Soweit es jeder, der nicht der IAEA angehört, vor dem Montag wissen konnte, bestanden die Behinderungen der Arbeit der Nuklear-Inspekteure hauptsächlich darin, daß ihnen der Zugang zu der Video-Überwachung der iranischen Anlagen fehlte. Nun aber stellt sich heraus, daß das iranische Regime der Behörde auch eine große Menge von Daten vorenthält, die von anderen Geräten in denselben Anlagen aufgenommen wurden.
Eine Folge dieser Behinderung besteht darin, daß der Bericht der IAEA seit dem Inkrafttreten des Abkommens überhaupt der erste seiner Art ist und daß er bezüglich des Ausmaßes des vom Iran gespeicherten angereicherten Urans nur Schätzungen und keine Meßergebnisse enthält. Doch auf der anderen Seite bekräftigen der Bericht und die früher von Grossi abgegebenen Kommentare die – von vielen Kritikern des JCPOA geteilte – Auffassung, daß es selbst, als das Abkommen uneingeschränkt in Kraft war, niemals ein klares, verläßliches Bild von dem Zustand des iranischen Nuklearprogramms gegeben hat.
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Dies Problem wurde durch die vom iranischen Regime während der länger als zwei Jahre anhaltenden Zeit, die auf die Wiederverhängung der Sanktionen seitens der USA folgte, systematisch begangenen Verstöße gegen den JCPOA noch verschlimmert. Es ist jedoch mit dem Abkommen selbst entstanden – durch die Schwäche der zu seiner Verstärkung einsetzbaren Mittel, das Übersehen damit zusammenhängender Angelegenheiten wie der vom iranischen Regime betriebenen Entwicklung von Mittelstrecken-raketen sowie durch die Art, wie es die westliche Politik der Versöhnung und Beschwichtigung verstärkte.
Solche Versöhnung trat deutlich hervor in der Entscheidung der Amerikaner und Europäer, die an den Verhandlungen teilnahmen, die Angelegenheit früherer, nicht deklarierter Arbeit des Iran beiseite zu setzen und damit in dem Wissen von den „vergangenen nuklearen Dimensionen“ des Nuklearprogramms des Regimes gewaltige Lücken weiterhin zuzulassen. Die Folgen dieser Entscheidung traten nicht lange nach dem Inkrafttreten des JCPOA ans Licht.
Im Jahre 2016 machte die IAEA auf den Verdacht aufmerksam, daß auf dem Militärstützpunkt von Parchin wahrscheinlich nukleare Tätigkeit betrieben werden; sie drängte auf „zusätzlichen Zugang“ zu dem Gelände. Doch da das Nuklearabkommen diesbezüglich dem iranische Regime keine unmittelbare Verpflichtung auferlegt, gelang es den Behörden, die Nuklear-Inspekteure monatelang fernzuhalten, während sie das Gelände desinfizierten und so wahrscheinlich die Beweise eines Fortschritts zu der Fähigkeit der Produktion von Atomwaffen zu verbergen und die entsprechenden Arbeiten an einen anderen Ort zu verlegen.
Als am Ende der Zugang zu Parchin gewährt wurde, bestätigte die IAEA das Vorhandensein restlichen nuklearen Materials, erhielt aber von den iranischen Behörden auf ihre Frage nach dem Ursprung und Zweck besagten Materials keine befriedigende Antwort. Seitdem gerieten mindestens zwei weitere Anlagen unter ähnlichen Verdacht; beiden galt ein ähnlicher Prozeß von Fragen, Behinderungen und Vertuschungen; er kulminierte am Ende in der Bestätigung, daß nukleares Material präsent gewesen sei, obwohl detaillierter Auskunft darüber ausgewichen wurde.
In den Ausführungen, mit denen Rafael Grossi den neuen Bericht der IAEA einleitete, trägt er offene Kritik an der Art vor, wie der Iran sich bezüglich dieser Anlagen und der nuklearen Transparenz überhaupt verhalten hat. Er sagte: „Sie wissen, daß sie Erklärun-gen vorlegen müssen. Wir bitten sie, bezüglich all dieser Dinge mit uns ins Reine zu kommen; es kann ihnen ja nur helfen.“
Doch diese Aussicht verschwimmt vor den Augen Teherans dadurch, daß es an klarer, einheitlicher europäischer Unterstützung der Position Grossis mangelt. Bisher ist sie ganz ausgeblieben; denn die europäischen Verhandlungspartner beschränkten sich darauf, Schritte zu unternehmen, die geeignet erschienen, den Iran zu seinem ursprünglichen Einverständnis mit dem JCPOA zurückzu- bringen. Es bleibt abzuwarten, ob sie sich nach den am Montag erfolgten Enthüllungen der Art, wie Teheran während des gesamten Prozesses, besonders aber während der vergangenen drei Monate, die Aufsicht umging, noch an ihre Verpflichtungen halten werden.
Doch betrüblicherweise erscheint die Aussicht auf eine Änderung der europäischen Politik ebenso vage. Obwohl Grossi eine entschieden überraschende und mit Autorität auftretende Quelle der Kritik an Teherans Haltung und den Zielen der Europäischen Union darstellt, hat diese doch nachweislich die bestürzenden Enthüllungen übersehen, die in der Zeit, in der der JCPOA noch in Kraft war, stattfanden, darunter jene, die auf Äußerungen iranischer Funktionäre selbst zurückgehen.
Im Februar beschrieb der Geheimdienstminister des iranischen Regimes, Mahmoud Alavi, die Verhandlungsposition seines Landes auf eine Weise, die einem offenen Eingeständnis dessen, daß Teheran nach Atomwaffen strebt, sehr nahe kamen. Nachdem er eine Fatwa des Höchsten Führers des Regimes zitiert hatte, die vermutlich erklärt, daß Atomwaffen nach dem Islam tabu seien, sagte Alavi: „Die Fatwa verbietet die Produktion von Atomwaffen, doch wenn sie den Iran in diese Richtung drängen, ist es nicht seine Schuld. Die Schuld trifft den, der den Iran in diese Richtung drängt.“
Mit anderen Worten: Der Zweck von Alavis Äußerungen gegenüber staatlichen Medien des Regimes bestand darin, den Verstoß des Regimes gegen die von ihm selbst erklärten Prinzipien dadurch zu rechtfertigen, daß er diese Verstöße als Vergeltung angeblich von westlichen Feinden begangener Vergehen deutete.
Eine weitere Enthüllung von Funktionären des Regimes im Januar 2019: Der Leiter der Atomenergiebehörde des Iran sagte einem staatlichen Presseorgan, das Zentrum der Schwerwasseranlage in Arak sei in Wirklichkeit niemals – so wie das JCPOA es verlangt – deaktiviert worden. Stattdessen wurde ein genau gleiches Netz von Röhren mit Beton ausgegossen und die IAEA mit verfälschten Photographien besagten Zentrums versorgt. Und im November desselben Jahres sagte Akbar Salehi, der Leiter der AEOI in einem Interview mit einem staatlichen Presseorgan, das Regime habe „Gegenmaßnahmen“ ergriffen, um sich vor der „Falle“ zu retten, in die es wegen seiner lang andauernden, wenn auch beschränkten Anreicherung von Uran geraten könnte.
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Man kann sich nur schwer vorstellen, daß irgendein westlicher Politiker, nachdem er diese Drohung und diese Enthüllungen gehört hat, noch für Zugeständnisse an das Regime eintreten könnte, ohne erneut die Strategie der Beschwichtigung zu bekräftigen. Ebenso schwierig ist es, sich iranische Verhandlungspartner vorzustellen, die das Erleben solcher Zugeständnisse in Wien nicht zu einer Bestärkung ihres Gefühls der Straflosigkeit führen würde.
Diese Straflosigkeit erklärt in hohem Maße, warum die Position des iranischen Regimes bei diesen Gesprächen sich niemals geändert hat; es erwartet immer noch, daß die USA sämtliche wieder-verhängten sowie die neuen Sanktionen aufheben, bevor der Iran irgendwelche Schritte unternehmen werde, die seit 2019 gemachten Fortschritte – darunter die Anreicherung von mindestens 2,4 kg Uran bis hin zu 60% spaltbaren Materials und die Produktion einer ähnlichen Menge des Metalls Uran, d. i. eine Schlüsselkomponente im Kern einer Atombombe – zurückzunehmen.
Diese Straflosigkeit hilft auch zu verstehen, weshalb Teheran sich darin wohl fühlte, seine intransigente Verhandlungsposition mit einem Maß von Verweigerung internationaler Zusammenarbeit zu verbinden, die größer ausfiel als jene, die man erwartete, als die Behörden bekannt gaben, daß sie ihre Zusammenarbeit mit der IAEA einschränken würden. Nun, da das Ausmaß dieser Verweigerung in dem jüngsten Bericht der IAEA enthüllt worden ist, sollte es den europäischen Verhandlungspartnern schwerer denn je fallen, ein versöhnlerisches Vorgehen in Wien zu unterstützen und ein iranisches Regime ernst zu nehmen, wenn es noch behauptet, ernsthaft an einer Übereinkunft interessiert zu sein, die alle Parteien akzeptieren können.
In Wirklichkeit hat Teheran ein solches Ergebnis niemals gewollt; es wurde auch niemals gezwungen, sich auf ein solches einzustellen. Indem die westlichen Politiker die ungelösten Fragen zu der in der Vergangenheit betriebenen nuklearen Tätigkeit igno-rierten und dem Regime die Beschränkung des Zugangs der Inspekteure zu dem Land gestatteten, erzeugten sie ohne Verstand eine Einigkeit, die das iranische Regime und sein Projekt geheimer nuklearer Fortschritte einzigartig begünstigte. Nun, da sogar der Generaldirektor der IAEA sagt, daß das Abkommen nicht mehr haltbar sei, wird es ganz gewiß Zeit für die europäischen Verhandlungs-partner, die Ziele, die sie mit den Wiener Gesprächen verknüpfen, zu überprüfen, ernsthaft auf einen anderen Kurs zu sinnen und dahin Druck auf den Iran auszuüben, daß er eine umfassendere und verbindlichere Lösung akzeptiert.