Iranischer Diplomat unter Terrorverdacht
Familienausflug mit Bombe im Kulturbeutel
Hat ein iranischer Agent einen Sprengstoffanschlag in Paris befohlen? Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Diplomaten aus Teheran.
Von Jörg Diehl, Martin Knobbe, Fidelius Schmid
Einsatzkräfte nach Sprengstofffund in Brüssel: Fernzünder im Kofferraum
Die geheime Mission des mutmaßlichen Agenten endete auf der A3 zwischen Aschaffenburg und Würzburg. Beamte der Verkehrspolizei nahmen Assadollah A. auf dem Rastplatz Spessart Süd fest. Er ist als 3. Botschaftsrat der iranischen Vertretung in Wien akkreditiert. Nun führten die deutschen Beamten den angeblichen Diplomaten auf die Wache, seine Frau und die beiden Söhne mussten mitkommen.
Dann untersuchte „Rambo“ den roten Van der Familie. Der Sprengstoffspürhund der Polizei umkreiste den in Wien gemieteten Wagen. Er zwängte sich von hinten unter den Ford S-Max und verhielt sich merkwürdig. Später notierte ein Polizist, der Hund habe Interesse gezeigt, sich jedoch nicht weiter unter das Auto vorarbeiten können, um die Geruchsquelle zu lokalisieren.
Hatte Assadollah A. Sprengstoff transportiert?
Vieles spricht dafür.
Inzwischen ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen A., wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und eines geplanten Bombenanschlags. Der Iraner soll ein Attentat auf eine Veranstaltung der iranischen Volksmudschahidin, einer Oppositionsgruppe, in Paris vorbereitet und angeleitet haben. Auf dem Treffen mit 25.000 Teilnehmern Ende Juni in Paris sprach auch der ehemalige Bürgermeister New Yorks, Rudy Giuliani, heute ein Vertrauter Trumps.
Polizeieinsatz bei der Festnahme von A.: Auf dem Rückweg vom „Romantik-Hotel“
Ein Paar aus Belgien, beide Exil-Iraner, war bereits mit einem Sprengsatz auf dem Weg nach Paris. Doch israelische und belgische Sicherheitsbehörden konnten das Komplott vereiteln, die beiden wurden in Brüssel festgenommen. Anschließend belasteten sie den iranischen Agenten schwer. Sie hätten in seinem Auftrag seit rund zehn Jahren Oppositionelle bespitzelt, dann habe er sie angestiftet, den Anschlag zu verüben. Wenige Tage vor ihrer Festnahme habe er ihnen auf einem Markt in Luxemburg 500 Gramm des Sprengstoffs TATP und einen Fernzünder übergeben.
Der Fall, den derzeit Beamte in Deutschland, Belgien, Frankreich und Österreichaufarbeiten, ist ein erneuter Beleg dafür, dass ausländische Geheimdienste in Europa vor nichts zurückschrecken. 2013 ermordete ein wahrscheinlich vom türkischen Geheimdienst losgeschickter Killer drei Führungsfiguren der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Paris (SPIEGEL 7/2014). 2017 entführten vietnamesische Agenten einen Dissidenten auf offener Straße in Berlin (SPIEGEL 17/2018). Und im März dieses Jahres verübten mutmaßliche Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU im britischen Städtchen Salisbury einen Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok auf einen übergelaufenen Ex-Kollegen.
Nach dem Nowitschok-Fall wiesen 27 Länder russische Diplomaten aus. Der geplante Anschlag in Paris hat dagegen nur hinter den Kulissen Aufsehen erregt. Eigentlich müsste ein solcher Vorgang das diplomatische Verhältnis Frankreichs, Deutschlands und der gesamten Europäischen Union zu Teheran schwer belasten. Doch der Bundesregierung und der EU ist etwas anderes wichtiger: Nach dem Ausstieg der USA wollen sie unbedingt am Atomabkommen mit Iran festhalten.
Je mehr Aufhebens um den Anschlagsplan gemacht würde, desto schwieriger wäre es, den Atomdeal bestehen zu lassen. Denn wie vertrauenswürdig kann ein Staat sein, der Bombenanschläge auf dem Territorium seiner Partner in Auftrag gibt?
In deutschen Regierungskreisen beobachtet man besorgt, ob die Ermittler im Fall Assadollah A. handfeste Belege für „Staatsterrorismus“ finden. Die Ermittler gehen davon aus, dass es diese Belege gibt. Die bange Frage in Berlin lautet nun, wie weit nach oben die Spur des Terrorplans im Mullah-Regime führt.
Politiker Giuliani auf Iran-Kongress in Paris: Nur viel Krach?
Erschwerend kommt ein Verdacht deutscher Sicherheitsbehörden hinzu. Demnach haben iranische Agenten bereits seit geraumer Zeit an einer Liste jüdischer Einrichtungen in Deutschland gearbeitet. Als mögliche Anschlagsziele.
Es war vermutlich der israelische Auslandsgeheimdienst, der Hinweise auf den mutmaßlichen Agenten Assadollah A. gab. Der Mossad habe ihn und das Paar, das mit dem Sprengsatz erwischt wurde, schon länger im Visier gehabt, heißt es in Sicherheitskreisen.
Die beiden Zuträger, Amir S. und Nasimeh N., hatten vor Jahren in Belgien Asyl beantragt und engagierten sich seit einiger Zeit bei den Volksmudschahidin, einer Oppositionsbewegung, die bis 2009 in der EU als Terrororganisation eingestuft war. Fast ebenso lange arbeiteten die beiden als Zuträger für den iranischen Geheimdienst in Teheran.
Den belgischen Behörden erzählte Nasimeh N., sie seien einst zur Zusammenarbeit gezwungen worden, indem ihre Angehörigen in der Heimat bedroht und drangsaliert wurden.
Unter diesem Druck hätten S. und N. jahrelang Informationen aus dem Innenleben der Volksmudschahidin an das iranische Regime geliefert. Sie hätten ihren mutmaßlichen Führungsoffizier Assadollah A. in Venedig, Mailand, Salzburg, Wien und in Teheran getroffen. Sie kannten ihn nur als Daniël. Etwa 4000 Euro habe ihnen A. bei jeder Begegnung gegeben, viel Geld für die beiden – S. arbeitete zuletzt als Lagerist, N. als Büglerin.
Ausweisfoto von A.
Der iranische Geheimdienst Mois, dem Assadollah A. angehören soll, ist eine wichtige Stütze des Regimes in Teheran. Nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden arbeiten etwa 30.000 Menschen für den Dienst, der hauptsächlich Oppositionelle im In- und Ausland überwacht. Aus vertraulichen Dokumenten deutscher Stellen geht hervor, dass die iranischen Agenten selbst vor Mord nicht zurückschrecken. Vor allem die Volksmudschahidin hat der Mois demnach im Visier.
Assadollah A. alias Daniël soll seine beiden Spione im März mit ihrer mutmaßlichen Mordmission beauftragt haben. Die beiden berichteten nach ihrer Festnahme bei der Polizei, er habe ihnen gesagt, sie bekämen ein Gerät, das sie auf der „Großen Versammlung“ der Volksmudschahidin „in der Nähe der Essstände“ abstellen und aus 300 Meter Entfernung aktivieren sollten.
Ob Menschen zu Schaden kommen würden, wollen S. und seine Frau gefragt haben. Und Daniël antwortete angeblich: Nein, Ärzte im Iran hätten das Gerät erprobt, es werde nur viel Krach machen. Kurz vor dem geplanten Anschlag habe er ihnen in Luxemburg den in einer blauen Kulturtasche versteckten Sprengsatz übergeben.
Agent Assadollah versuchte offenbar, die Reise dorthin als Familienausflug zu tarnen. Er mietete den roten Van in Wien und brach mit den beiden Söhnen, 17 und 21 Jahre alt, und seiner Frau auf. Der Polizei erzählte er, sie hätten sich Burgen angesehen.
Zwar fanden die Staatsschützer des Bundeskriminalamts schließlich die Anschrift des Heidelberger Schlosses im Navigationsgerät des Autos, doch ansonsten dürfte die Tour eher dienstlich gewesen sein: Die Fahrt ging nach Cochem, nach Luxemburg und Belgien, nach Bonn und Köln.
Die bange Frage in Berlin lautet nun, wie weit nach oben die Spur im Mullah-Regime führt.
Einer der Söhne sagte der Polizei, sein Vater habe auf einem Markt in Luxemburg „zufällig“ einen „alten Bekannten“ getroffen. Es sei wahrscheinlich ein Freund aus dem Irakkrieg gewesen, jedenfalls seien die beiden zusammen zum Essen gegangen, für eine Stunde. Die Ermittler gehen davon aus, dass dieser Bekannte Amir S. war.
Während dieser Zusammenkunft hätten die mutmaßlichen Verschwörer verabredet, dass sie sich nach dem Anschlag in Köln treffen würden. „Wir sollten berichten, wie alles abgelaufen war“, so Amir S. Den genauen Ort und die Zeit für das Treffen hätten sie noch vereinbaren wollen. Dafür habe Daniël ihnen ein Handy mit einer österreichischen Nummer gegeben. Dazu kam es nicht, weil die belgischen Behörden Amir S. und seine Frau vor der Tat festnahmen.
Danach traten Assadollah A. und seine Familie die Rückreise an. Von einem „Romantik-Hotel“ in Bergisch Gladbach steuerten sie in Richtung Süden, bis die Polizei auf dem Rastplatz zugriff.
Assadollah A. sitzt nun in Haft. Die Belgier haben seine Auslieferung beantragt, er wehrt sich dagegen. Sein Anwalt beruft sich auf das Wiener Übereinkommen, das Diplomaten freien Transit zu ihren Posten zusichert. Das Auswärtige Amt ist hingegen der Auffassung, dass ein solcher Transit nicht durch mehrtägige touristische Aktivitäten unterbrochen werden darf. Die letzten Entscheidungen der Gerichte in der Sache stehen noch aus.
Klar ist jedenfalls, dass Familie A. von ihrem Aufenthalt in Deutschland wenige kulturelle Eindrücke mitgenommen hat. An die Namen der Burgen, die sie sich doch angeblich angeschaut hätten, konnten sich die Söhne des Agenten nicht erinnern. Seine Frau konnte nicht einmal die Länder nennen, in denen sie gewesen seien. Ob sie denn wenigstens sagen könne, in welchem Land sie sich gerade befinde, fragten die Polizisten. Sie antwortete, dass sie auch das nicht wisse.