Weltweit setzen sich Menschenrechter und Anwaltsvereinigungen für die iranische Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh ein, die allein wegen ihres menschenrechtlichen Engagements zu fast vier Jahrzehnten Haft verurteilt wurde.
Die international hoch angesehene Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh (Bild) wurde im März von einem Teheraner Revolutionsgericht allein wegen ihres Einsatzes für Menschen- und Frauenrechte zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Damit beträgt ihre gesamte Haftstrafe 38 Jahre, denn die Anwältin war bereits im September 2016 in einem separaten Fall zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nasrin Sotoudeh ist seit Juni 2018 im Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert. Weltweit fordern Menschenrechtler ihre sofortige Freilassung.
In Paris setzt sich der Nationale Französische Anwaltsverband CNB mit einer Petition für die Freilassung von Nasrin Sotoudeh ein. Weltweit haben schon über 600000 Menschen Petitionen zur Unterstützung der inhaftierten Anwältin unterschrieben.
Auch die Internationale Liga für Menschenrechte mit Sitz in Berlin protestiert gegen die Verurteilung von Nasrin Sotoudeh. In einer Pressemitteilung heißt es dazu u.a.:
Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) protestiert mit iranischer Exil-Liga LDDHI gegen menschenrechtswidrige Höchststrafe des Islamischen Revolutionsgerichts
Am 9. März 2019 verurteilte das Islamische Revolutionsgericht in Teheran die prominente iranische Menschenrechtsanwältin und Sacharow-Preisträgerin des Europäischen Parlaments von 2012, Nasrin Sotoudeh, in erster Instanz zu einer Haftstrafe von 33 Jahren und 6 Monaten und 148 Peitschenhieben. Die Bekanntgabe fand in Abwesenheit von Sotoudeh statt, nachdem sie sich geweigert hatte, an der Anhörung am 1. Januar 2019 teilzunehmen, um gegen das rechtswidrige Verfahren des Islamischen Revolutionsgerichts zu protestieren. Weiterhin wurde Sotoudeh von keinem Anwalt/keiner Anwältin vor Gericht vertreten, weil sie keinen Anwalt/keine Anwältin bestellen wollte. Grund dafür war ihr Protest gegen die Vorschrift, die für alle Angeklagten „nationaler Sicherheitsverbrechen“ das Recht auf freie Anwaltswahl einschränkt.
Der Richter des Islamischen Revolutionsgerichts verurteilte Sotoudeh zu der im Gesetz vorgesehenen Höchststrafe bezüglich aller sieben ihr zu Last gelegten Anklagepunkte, was umgerechnet 29 Jahre Haft bedeutet. Zusätzlich rechtfertigte er unter Berufung auf die gleichen gesetzlichen Vorgaben die Verlängerung ihrer Haft um weitere vier Jahre und sechs Monate, da die Angeklagte „mehr als drei Verbrechen“ begangen habe. (…)
Frau Sotoudeh, die derzeit im Gefängnis sitzt, wurde am 13. Juni 2018 in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen und wegen eines anderen Falls in das Evin-Hauptstadtgefängnis gebracht. Erst nach ihrer Festnahme wurde sie mit einem Haftbefehl konfrontiert und ihr wurde mitgeteilt, dass sie mit einer fünfjährigen Haftstrafe zu rechnen habe, die in Abwesenheit ausgesprochen wurde. Frau Nasrin Sotoudeh wurde weder das Gerichtsurteil gezeigt, noch wurde sie vor ihrer Verhaftung über ihre Verurteilung und Strafe informiert, was einen offensichtlichen Verstoß gegen nationale und internationale Standards für ein faires Gerichtsverfahren darstellt. Später konnte man feststellen, dass die fünfjährige Haftstrafe – ebenfalls in ihrer Abwesenheit – am 4. September 2016 ergangen, nämlich am selben Tag, als Sotoudeh vorgeladen und der Vorladung nachgekommen war, das Gebäude jedoch nicht betreten durfte. Sie legte gegen das Urteil Berufung ein, deren Ergebnis bis heute nicht bekannt ist.
Sotoudeh wurde wegen ihrer Arbeit bereits mehrfach inhaftiert. Im September 2010 wurde sie verhaftet und wegen der „Verbreitung von Propaganda gegen den Staat“ und „Versammlung und Kollusion gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt und zu elf Jahren Gefängnis, 20 Jahren Berufsverbot als Anwältin, 20 Jahre Entzug sozialer Rechte und des Rechtes, ihr Land zu verlassen, verurteilt. Die Strafe wurde nach der Berufungsverhandlung auf 6 Jahre Haft und 10 Jahre Berufsverbot herabgesetzt. In Folge nationaler und internationaler Proteste wurde sie 2013 nach mehr als dreijähriger Verbüßung ihrer Strafe freigelassen. Der Entzug ihrer Zulassung als Anwältin wurde vom Disziplinargericht für Anwälte von zehn auf drei Jahre herabgesetzt. Sie reagierte darauf ab Oktober 2014 neun Monate lang mit Sitzblockaden vor der Teheraner Anwaltskammer, um gegen den Entzug ihrer Zulassung zu protestieren. Tatsächlich erreichte sie eine Herabsetzung auf neun Monate und damit faktisch eine Aufhebung.
Die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen (WGAD) entschied im Jahr 2011, dass die Inhaftierung von Sotoudeh willkürlich sei und forderte die iranischen Behörden auf, sie sofort und bedingungslos freizulassen und zu entschädigen. Auf ihrer Aprilsitzung 2019 wird die WGAD auch ihre Inhaftierung im Juni 2018 untersuchen. Sotoudehs frühere und aktuelle Haftstrafen waren Anlass für zahlreiche gemeinsame Verlautbarungen von UN-Mandatsträgern für Sonderverfahren. Zuletzt verabschiedete das Europäische Parlament am 13. Dezember 2018 eine umfassende Resolution zu ihrem Fall und forderte am 15. März 2019 ihre sofortige Freilassung und auch die aller iranischen MenschenrechtsverteidigerInnen.
Sotoudeh engagierte sich seit ihrer Zulassung als Anwältin aktiv in der Frauenrechtsbewegung und vertrat auch Frauenrechtsaktivistinnen vor Gericht. Sie setzte sich dafür ein, die Hinrichtung diverser Personen durch Übernahme als deren rechtmäßige Vertreterin unter Ausnutzung aller gerichtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten zu verhindern.
Sie verteidigte eine Reihe von Angeklagten, die wegen Mordes zum Tode verurteilt wurden. Sie sollten das Verbrechen vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres begangen haben. Sotoudeh organisierte zudem außergerichtliche Aktivitäten zur Rettung von Jugendlichen im Todestrakt und hatte in einigen Fällen auch Erfolg. Sie übte öffentlich Kritik am islamischen Revolutionsgericht und kämpfte gegen ungerechte Gerichtsverfahren, die zur Verhängung der Todesstrafe geführt hatten. Sie leistete rechtlichen Beistand für Frauen, die geschlagen und verhaftet wurden, weil sie 2018 durch Ablegen des Kopftuches auf der Straße gegen das obligatorische Tragen des Hijab demonstrierten.
Die „Arbeitsgruppe Iran“ der Internationalen Liga für Menschenrechte verurteilt die Nichtbeachtung internationaler Rechtsnormen sowie die Unterdrückung zivilgesellschaftlichen Engagements im Iran. Sie fordert die internationale Gemeinschaft auf zu verlangen, dass die iranischen Behörden die Menschenrechte respektieren, in der Folge alle Anklagepunkte gegen Nasrin Sotoudeh fallen lassen und sie sofort und bedingungslos freilassen.
In Hong Kong haben Menschenrechtsaktivisten anlässlich eines Konzerts für die Freilassung von Nasrin Sotoudeh protestiert.
Auch in Rom demonstrieren Rechtsanwälte für Nasrin Sotoudeh.