Streit zwischen USA und Iran / Im Rechtsstreit geht es um drei Milliarden Dollar.
Von Laurent Schmit
Luxemburger Wort – In einem Eilverfahren entschied das Bezirksgericht Luxemburg am Mittwoch, die Gelder der iranischen Zentralbank bei Clearstream weiterhin blockiert zu lassen. Das Argument der Anwälte der iranischen Seite, das Einfrieren der Vermögenswerte sei illegal, weil es die interne Funktionsweise der Clearstream blockiere, ließ die Richterin nicht gelten. Eine detaillierte Analyse des Systems des Abwicklungsdienstleisters übersteige die Möglichkeiten des Schnellgerichts und müsse deshalb in einem ordentlichen Verfahren geprüft werden.
Hintergrund des Falls sind Schadensersatzforderungen gegen den Iran von 101 Nachkommen von Anschlagsopfern des 11. September 2001. Am 14. Januar 2016 ließen deren Anwälte per Gerichtsvollzieher zwei Konten der iranischen Zentralbank beim Luxemburger Abwicklungsdienstleister Clearstream provisorisch pfänden – eine sogenannte „saisie-arrêt“. Dafür braucht in einem ersten Schritt keine gerichtliche Entscheidung.
Dabei soll es um Vermögenswerte gehen, die mindestens 1,6 Milliarden Dollar umfassen. Insgesamt fordern die US-Kläger drei Milliarden von der iranischen Zentralbank aufgrund von vier Entscheidungen der US-Justiz, erklärte ihr Luxemburger Anwalt François Moyse.
Iran will Wirtschaftssanktionen überwinden
Es ist eines von insgesamt 89 Verfahren, in denen US-Gerichte den Opfern von Terroranschlägen Schadensersatzzahlungen in Höhe von mindestens 50 Milliarden Dollar zugesprochen haben, weil der iranische Staat die jeweiligen Attentäter unterstützt habe.
Doch es geht dabei um viel mehr. Es wurde ein kleines Stück Weltpolitik im Gerichtssaal des Bezirksgerichts Luxemburg geschrieben, denn es geht um den Bestand des Iranischen Atomabkommens von 2015. Damals wurden vereinbart, dass die Einschränkungen von Finanzgeschäften des Irans zusammen mit anderen Wirtschaftssanktionen im Januar 2016 aufgehoben würden. Die Frage ist demnach, inwieweit der Iran Geschäfte mit europäischen Banken tätigen kann, ohne das Risiko, dass die USA die Konten pfänden lassen.
Der US-Anwalt der Familien der Anschlagsopfer Lee Wolosky sagte auf Nachfrage, ihn freue die Entscheidung des Luxemburger Gerichts. „Wir rechnen fest damit, dass damit das US-Urteil in Luxemburg und in anderen Ländern umgesetzt wird mit denen die USA Abkommen hat“, so Wolosky.
Eine erste juristische Etappe
Die Entscheidung am Mittwoch vor dem Schnellgericht ist allerdings nur eine erste Etappe. Gegen das Urteil kann innerhalb von zwei Wochen Berufung eingelegt werden, erklärte die Justizsprecherin. Der Luxemburger Anwalt der iranischen Zentralbank, Fabio Trevisan, will das Urteil nun genau prüfen. Er hält es aber für wahrscheinlich, dass es zu einer Berufung kommen wird, sagte er auf Nachfrage.
Die Blockierung der Gelder wird ebenfalls in einem ordentlichen Verfahren („procédure de validation“) geprüft. Davor muss noch ein Luxemburger Gericht entscheiden, inwieweit die US-Urteile, die den Opferfamilien Schadensersatz zusprachen, hierzulande anerkannt werden. Beide Verfahren laufen am Bezirksgericht Luxemburg. Frühestens Ende des Jahres könne es eine erste Entscheidung geben, sagen die Anwälte.
Sowohl die Clearstream als auch die iranische Zentralbank argumentierten im Eilverfahren, dass das Einfrieren der Gelder illegal gewesen sei. Der Grund: Clearstream sei von der Luxemburger Zentralbank als ein systemischer Dienstleister eingestuft worden und diese könnten dem Gesetz vom 10. November 2009 zufolge nicht gepfändet werden. „Pfändungen bei einem Abwicklungsdienstleister wie Clearstream gefährden das Bankensystem, weil dort die Vermögenswerte mehrerer Banken vermischt sind“, erklärt Fabio Trevisan.
Hier kommen jedoch wieder die EU-Sanktionen gegen den Iran ins Spiel. Die US-Kläger argumentieren, dass die iranischen Vermögenswerte bei Clearstream getrennt geführt worden seien, weil sei zur Zeit der Sanktionen ebenfalls blockiert waren. Der besondere Schutz der Clearstream vor Pfändungen gelte demnach in diesem Fall nicht. Das Gericht habe im Eilverfahren nicht ausreichend Beweise vorliegen gehabt, um eindeutig feststellen zu können, ob dies zutreffe oder nicht und deshalb die Gelder weiter blockiert gelassen, so François Moyse.
Diplomatische Verwerfungen
Der Fall ist auch delikat für die Luxemburger Regierung. Außenminister Jean Asselborn sagte dem „Lëtzebuerger Land“, dass er bei seinen Treffen mit dem Staatspräsident Hassan Rohani und dem Außenminister Javad Zarif auf die Affäre angesprochen worden sei. Es sei aber eine Angelegenheit, die die Justiz entscheiden müsse.
Die Anwälte der Kläger und frühere hohe Beamte der Obama-Regierung, Lee Wolosky und Michael J. Gottlieb, baten Premierminister Xavier Bettel um ein Treffen. „Wir können Ihnen versichern, dass diese Fälle von großer Bedeutung für die Vereinigten Staaten sind“, sprachen sie in ihrem Brief an Bettel als eine recht unverhohlene Drohung aus. Die „New York Times“ veröffentlichte den Brief am 6. März. Der Premierminister hat eine Unterredung mit den Anwälten jedoch abgelehnt, hieß es aus dem Staatsministerium.
Der Iran braucht die Milliarden, um die Inflation im Land im Griff zu behalten – ein brisantes innenpolitisches Thema, wie „Le Monde“ berichtet. Und die USA unter Präsident Trump sind gegenüber dem Iranischen Atomabkommen äußerst kritisch eingestellt.