NWRI- Nur zwei Tage vor dem erneuten Aufflammen einer Erhebung in Sistan und Belutschistan zum Jahrestag des Blutigen Freitag von Zahedan hat ein Online Medium, das mit dem Corps der Islamischen Revolutionsgarden in Verbindung steht und Javan Online [„Jung“] heißt, Alarm ausgerufen davor, dass sich die Gesellschaft von etablierten „Normen“ entferne und dass ein verheerender Aufstand drohe, der von den hungrigen Massen angeführt werde.
Der Grund für diese erhöhte Sorge wurde in den darauffolgenden Tagen klar, am 29. und 30. September, als sowohl das Regime als auch die iranische Bevölkerung die Rufe „Tod für Khamenei“ und „Tod dem Diktator“ in der verarmten Provinz hallen hörten. Begleitet wurde das von vielfachen Streiks in größeren Städten in der ganzen Provinz und von Dutzenden von Zusammenstößen und Geplänkeln der revolutionären Jugend mit Sicherheitskräften und Angriffen auf staatliche Gebäude.
Am 27. September hieß es auf der vom IRGC betriebenen Seite in einer Kolumne unter der Überschrift „Verlorene Werte, gebrochene Normen“: „Wir sind Zeuge einer Zeit von aufgestautem Zorn. Dieser Zorn hat mehrere Gründe wie der Lebensunterhalt, politische Forderungen, wirtschaftliche Probleme und andere Faktoren, die in diesem Zusammenhang angeführt werden können. Beständige negative Emotionen verwandeln sich durchaus in Wut. Derzeit haben sich die Zeitabschnitte zwischen den tendenziellen Äußerungen dieser Wut im Vergleich zu vorher verkürzt. Wir waren an Ausbrüche dieses Zorns so etwa alle 10 Jahre gewöhnt, aber jetzt hat der zeitliche Abstand abgenommen“.
Die Wahrnehmung einer „Abweichung von den Normen“ und des „aufgestauten Zorns der Menschen“ ist nicht nur etwas, das die sogenannte „gemäßigte Fraktion“ im Regime feststellt oder eine Person, die aus der Machtstruktur herausgefallen ist. Sie muss als ein Eingeständnis des Hauptwerkzeugs im Unterdrückungsapparat Khameneis gelten, des IRGC.
Das Organ des IRGC räumt offen ein, dass dieser Zorn, der sich aufgebaut hat, ein hoch explosiver Sprengstoff ist, der für die Detonation scharf gemacht ist. Was diese Explosivität und einen potentiellen Aufstand nährt, sind nicht nur gesellschaftlicher Druck, Beschränkungen und kulturelle Beschwerden; es sind auch wirtschaftliche Härten und Probleme des Lebensunterhalts.
https://x.com/iran_policy/status/1685308951552745472?s=20
Anknüpfend an diese Warnung, die von Javan Online, einer Medienplattform unter staatlicher Kontrolle, verbreitet wird, hat ein anderes Medium mit dem Namen Ruydad 24 [„Sensation“] diese Sorge um die Sicherheit wiederholt. Das zeigt die Furcht des Regimes vor einem Aufstand und dem Ausbruch des öffentlichen Ärgers über die Probleme mit dem Lebensunterhalt. Dabei wird ein Analyst, der mit dem Regime verbunden ist, zitiert.
Die Website beruft sich auf einen Soziologen mit dem Namen Amanollah Qaraei Moghadam und schreibt: „Menschen die hungrig sind, werden nicht aufhören, bis sie ihr Recht bekommen, weil Probleme des Lebensunterhalts alles an seiner Wurzel erschüttern und zur Auflösung bringen“.
Noch ausdrücklicher war diese Warnung in der staatlichen Tageszeitung Jomhouri-e Eslami [„Islamische Revolution“] am 16. Juni artikuliert worden: „Geht nicht davon aus, dass die Geduld des Volkes unendlich ist. Hütet euch vor dem Tag, wo sich die hungrigen Massen gegen euch erheben“.
In den letzten Jahren haben staatliche Amtsträger und Experten der Regierung immer wieder Warnungen vor der Bewegung „hungriger Massen“ artikuliert. Die Furcht davor spielt eine bedeutende Rolle in den internen Konflikten des Regimes und bei dem plötzlichen Sinneswandel von Autoritäten, die einst als grobe Vernehmer und Folterer tätig waren, sich aber jetzt als Reformisten und Gemäßigte ausgeben.
Diese selbsternannten Kritiker berufen sich jetzt auf wirtschaftliche Probleme als Quelle großer Besorgnis.
Der staatstreue Ökonom Vahid Shaqaqi Shahri betonte am 11. August: „Wir erleben eine Ära der Inflation, die in der Geschichte des Iran beispiellos ist. Das Ausmaß der Inflation, vor dem wir heute stehen, ist ohne Vergleich und es dauert an.
Wir sind mit einer schweren Inflation, beträchtlichen Schwierigkeiten mit Pensionsfonds, einer Krise der Bodenabsenkung, Wasserknappheit, Abnutzung der Infrastruktur und anderem mehr konfrontiert. Ich sehe in diesen Schwierigkeiten eine heran rollende Flutwelle, die noch entfernt ist, sich aber schnell nähert“.
Der Aufstand in Sistan und Belutschistan von 2023 bildet einen Wendepunkt, auch wenn der Staat ganz und gar vorbereitet ist und die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft sind, können sie nicht über eine Bevölkerung triumphieren, die nichts zu verlieren hat. Trotz der sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation und dem Versäumnis der Regierung, grundlegende Maßnahmen zu ergreifen, um die Infrastruktur zu verbessern, demokratische Institutionen einzuführen, auszubalancieren und die durchgängige Korruption zu bekämpfen, hat sich Sistan und Belutschistan zu einer Blaupause für die ganze iranischen Nation herausgebildet.
Die Erfahrungen aus der Vergangenheit untermauern auch die Annahme, dass die Prioritäten des Khamenei Regimes unverändert bleiben und dass das Regime, wie viel auch immer der Westen von seinen eingefrorenen Vermögenswerten freigibt, dadurch nicht instand gesetzt wird, sich mit seinen Sicherheitskrisen zu befassen und sie zu bewältigen.