PARIS / BAGDAD (Agenturen) Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron forderte den Irak auf, alle Milizen aufzulösen, darunter die von der Regierung sanktionierten, vom Irak unterstützten „Truppen der Mobilisierung des Volkes (PMF)“; es geschieht selten, daß sich ein Führer des Westens zu einer solchen Forderung entschließt.
Diese Forderung erhob Macron nach einer Zusammenkunft mit führenden Persönlichkeiten der irakischen Kurden; sie deutet auf den schwierigen Balance-Akt, den Bagdad zwischen seinen Verbündeten in dem Krieg gegen den Islamischen Staat – dem Iran und den Westmächten, die einander nicht ins Auge sehen können – zu vollführen hat.
„Es ist wichtig, daß es zu einer allmählichen Entmilitarisierung kommt, besonders bei der ‚Mobilisierung des Volkes’, die sich während der vergangenen Jahre im Irak eingerichtet hat; alle Milizen müssen allmählich entmilitarisiert werden;“ das sagte er während einer gemeinsam mit Führern der irakischen Kurden veranstalteten Pressekonferenz.
Die Behörden der Regierung der kurdischen Region (KRG) beschuldigen die PMF der Mehrheit arabischer Schiiten verbreiteter Mißhandlung der Kurden in den ethnisch gemischten Regionen des Irak.
Die Regierung des irakische Premierministers Haider al-Abadi leugnet, daß die PMF sich an systematischen Mißhandlungen beteiligen; er versprach, daß jeder, dem Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden, bestraft wird.
Die Entwaffnung der PMF wird als Abadis schwierigste Prüfung angesehen, während seine Truppen dem Sieg über den Islamischen Staat näher kommen.
Es konnten weder Sprecher Abadis noch Sprecher der Badr-Organisation, der größten Gruppe der PMF, zu Kommentaren gewonnen werden.
Macrons Zusammenkunft mit dem Premierminister der Regierung der kurdischen Region, Nechirvan Barzani, und seinem Vertreter Qubad Talabani war nach dem Referendum des 25. September das erste hochrangige internationale politische Treffen.
Die Westmächte hatten die Kurden aufgefordert, von dem Referendum abzusehen und sich stattdessen für den Dialog mit Bagdad zu engagieren.
Der französische Präsident Emmanuel Macron wird Premierminister Nechirvan Barzani am 2. Dezember 2017 im Élysée-Palast in Paris empfangen werden. REUTERS/Benoit Tessier
‚KONSTRUKTIVER DIALOG’
Erneut rief Macron die Zentralregion in Bagdad und die halb-autonome Regierung der kurdischen Region zu einem Dialog im Rahmen der irakischen Verfassung auf; er sagte, ein „konstruktiver Dialog“ könne dazu führen, daß Bagdad die kurdische Region von den Beschränkungen befreie, die es ihm auferlegt habe.
Die Kurden votierten in dem Referendum für die Trennung vom Irak; sie trotzten damit Bagdad und alarmierten die Nachbarländer, die Türkei und den Iran, in denen kurdische Minderheiten leben.
Die irakische Regierung regierte mit einer Besetzung der von den Kurden gehaltenen Stadt Kirkuk und anderen Gebieten, über die zwischen den Kurden und der Zentralregierung gestritten wird.
Der langjährige kurdische Präsident Masoud Barzani trat nach dieser Affäre zurück; die Regierung der Region, die von seinem Neffen Nechirvan geleitet wird, versucht, durch Verhandlungen die Konfrontation zu beenden.
Am Sonnabend sagte der kurdische Premierminister, er betrachte Frankreich als fähig, sich an der Beendigung des Disputs mit Bagdad zu beteiligen; seine Regierung respektiert ein Urteil des Höchsten irakischen Bundesgerichts, das das Referendum als verfassungswidrig und sein Ergebnis als nichtig erklärte.
‚DIE ANGELEGENHEIT IST VORÜBER’
Wie folgt zitierte der in Erbil ansässige Sender „Rudaw“ Herrn Barzani: „Was das Referendum angeht, so befinden wir uns in einer neuen Zeit; wir haben unsere Position in der kurdischen Regionalregierung klar gemacht.“
Macron rief zu der lange verschobenen Erfüllung von Artikel 140 der irakischen Verfassung auf; darin wird zur Entscheidung über den Status der zwischen Bagdad und den Kurden strittigen Gebiete aufgerufen.
Artikel 140 sah vor, daß gegen Ende des Jahres 2007 in der Öl-Region von Kirkuk und anderen Gebieten, die sowohl von der kurdischen Regionalregierung als auch von der irakischen Regierung beansprucht werden, ein Referendum abgehalten würde; damit sollte entschieden werden, ob die dortigen Bürger zur kurdischen Region gehören wollten oder nicht.
Doch ein solches Referendum hat nicht stattgefunden – einer der Gründe, weshalb die kurdische Regionalregierung das Referendum über ihre Unabhängigkeit veranstaltet hat.