NWRI-
In der vorigen Woche räumte ein Mitglied des Parlaments des iranischen Regimes, während es gegenüber staatlichen Medien von der Art sprach, wie das Regime in Syrien abenteuert, einige Tatsachen ein. Heshmatullah Falahatpisheh schätzt demnach, daß das Regime zur Unterstützung Bashar al-Assads bis zum Beginn des vorigen Jahres 30 Milliarden Dollars aufgewandt hat.
Seitdem hat es diese Ausgaben fortgesetzt — in der Form direkter Unterstützung des Regimes von Assad sowie in der Förderung eines Netzwerkes militanter Hilfstruppen, das sich um Syrien herum aus-breitet.
Ähnliche Netzwerke profitieren im Irak von Teherans Großzügigkeit; sie allerdings verlieren aufgrund bürgerlicher Proteste, die die Loslösung von den Interessen des iranischen Regimes fordern, an Boden. Derzeit treibt allerdings diese Unruhe das Regime zu noch verzweifelteren Maßnahmen, mit denen es versucht, seinen Einfluß auf die Umgebung zu behaupten. Als im vorigen Jahr die irakischen Demonstrationen ausbrachen, waren es die Revolutionsgarden (IRGC), die die Unterdrückung des friedlichen Engagements anführten. Mit diesen Maßnahmen übte das IRGC die Taktik ein, die es wenige Wochen später im Iran einsetzen konnte.
Im November 2019 erfuhr das iranische Regime den zweitgrößten Aufstand seit Jahren. Der erste – im Januar 2018 – machte entschieden regimekritische Slogans populär, z. B. „Tod dem Diktator!“ Diese Slogans tauchten vermehrt wieder auf, als die Behörden den Plan zur Vergrößerung der Benzin-Preise bekannt gaben und auf diese Weise die Not des Volkes, das schon viele Jahre lang unter der Mißwirtschaft zu leiden gehabt hatte, steigerten. Der erste Aufstand wurde brutal unterdrückt; auf den zweiten reagierte das Regime mit einer Art blinder Panik. Engagierte Personen von der Organisation der Volksmojahedin des Iran (PMOI/MEK) machten sich sofort an die Arbeit, um die Opfer der November-Proteste zu identifizieren. Sie setzten annähernd 1 500 Personen auf ihre Liste, die binnen einer Zeit von zwei Wochen von den Sicherheitskräften und vom IRGC erschossen worden waren. Damit werden jene, die darnach starben – sei es unter der Folter oder an Infektionen, die ihnen während ihrer Haft nicht behandelte Wunden zugefügt hatten — noch nicht erfaßt. Immer noch werden Personen, die an dem Aufstand des Novembers teilgenommen haben, wegen ihres friedlichen Engagements verfolgt; einige von ihnen sind zum Tode verurteilt worden.
Alle diese Aufstände führten zu massenhafter Verhaftung bekannter Engagierter sowie aller, die dem theokratischen System als Bedrohung erschienen. Jetzt – nach etwa sechs Monaten – scheint sich das Regime erneut auf diese Taktik zu verlegen. Jetzt ist sein Motiv allerdings eher die Furcht vor einem weiteren Aufstand, den viele erwarten, als die Reaktion auf einen, der bereits stattgefunden hätte. In der vorigen Woche hielt der Höchste Führer Ali Khamenei eine Rede, in der er die Freunde des Regimes, besonders die Mitglieder der Bassij-Miliz, ermahnte, angesichts dieser Aussicht auf der Hut zu sein.
Khamenei drang in seinen Ausführungen darauf, daß die Bassij-Miliz auf Demonstrationen an den Universitäten des Iran achte. Darum bemüht, das Ausmaß der allgemein gegen das religiöse Regime gerichteten Antipathie nicht zuzugeben, gab er vor, man könne die Demonstrationen so kontrollieren, daß sie nicht als Angriffe auf das System selbst erscheinen müßten. Das wirkt natürlich, wenn es von Khamenei kommt, angesichts der bereits in beiden früheren Aufständen entfesselten Gefühle übertrieben optimistisch – und dies um so mehr angesichts des klaren Bewußtseins der Behörden des iranischen Regimes von den zunehmenden Herausforderungen, denen sie von der enttäuschten, verarmten und von der Pandemie heimgesuchten Bevölkerung ausgesetzt werden. Selbst Khamenei schien in seiner Rede von Studenten der Bassij einige dieser Herausforderungen anzuerkennen. Ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen galt der Organisation der Volksmojahedin; er hielt ihr vor, sie verwerfe seit langer Zeit die „Grundlagen der Revolution“ — das System der absoluten Herrschaft der religiösen Autoritäten. Dabei ist es eben diese Zurückweisung der Theokratie zugunsten einer demokratischen Regierung, durch die das Programm der MEK befähigt wird, die Zukunftshoffnungen des iranischen Volkes zu repräsentieren. Und die bloße Erwähnung dieser Organisation in der Rede der vorigen Woche genügte bereits, um ihre zunehmende Popularität anzuzeigen.
Indem Teheran das neue Gewicht der MEK anerkennt, verabschiedet es sich von einer Propaganda, die 30 Jahre lang anhielt und die die Gruppe als unbedeutenden Kult hinstellte, der in einem Massaker an politischen Gefangen im Jahre 1988 weithin zerstört worden sei. Obwohl die überwältigende Mehrheit der 30 000 Opfer des besagten Massakers der PMOI angehörte, erholte sie sich rasch und hat sich seitdem beständig vermehrt. Jetzt spielt sie nicht nur in den regimekritischen Protesten eine führende Rolle; sie trägt auch regelmäßig dazu bei, daß jene Einzelheiten der Herrschaft des Regimes enthüllt werden, die das Volk immer mehr zu der Forderung des Regimewandels antreiben.
In den zurückliegenden Monaten hat sich diese Arbeit darauf konzentriert, daß die Mißwirtschaft Teherans und die Art, wie es über die Ausbreitung des Coronavirus falsch berichtete, genau beschrieben werden. Die Behörden des Regimes behaupten, der Todeszoll liege nur etwas höher als 7000, doch die Koalition der PMOI, der Nationale Widerstandsrat des Iran, schätzt derzeit, daß die wirkliche Anzahl schon größer ist als 44 800. Der Widerstand hat, indem er diese Zahl nennt, zugleich unterstrichen, wie anders die Situation heutzutage wäre, wenn die in die Irre führenden Prioritäten Teherans nicht vorhanden wären.
Die PMOI und der NWRI haben auf das hunderte von Milliarden Dollars große Vermögen hingewiesen, das dem Regime in Form der schiitischen Stiftungen und der verschiedenen Front-Firmen der Revolutionsgarden zur Verfügung steht – einschließlich ihres Konglomerats „Khatam al-Anbia“. Diese Vermögen wurden nicht angetastet – und dies, obwohl dem IRGC für den Umgang mit der Epidemie des Coronavirus breite Vollmacht eingeräumt wurde – eine Vollmacht, die es dazu einsetzt, seine Kontrolle über die bürgerliche Gesellschaft des Iran zu verstärken.
Zugleich verzehren — – so bestätigte in der vorigen Woche Falahatpisheh — die vom IRGC geführten Maßnahmen außerhalb der Grenzen des Iran weiterhin gewaltige Summen des Vermögens des Regimes. Es kommt hinzu, daß der NWRI seine Schätzung, es seien dazu 30 Milliarden Dollars aufgewandt worden, als zu bescheiden betrachtet; der NWRI weist z. B. darauf hin, daß Öl zu einem zu niedrigen Preis bzw. ganz kostenlos nach Syrien geliefert wird – ein Beweis dessen, daß Teheran auf Kosten des iranischen Volkes zu einer regionalen Macht werden will.
Der Preis der kostspieligen Projekte im Ausland geht Hand in Hand mit dem Preis der Unterdrückung der zunehmend unruhigen einheimischen Bevölkerung. Beide zusammen ergeben ein hohes Maß, denn ein- und dieselbe Institution, das IRGC, ist in beiden Phänomenen die treibende Kraft. Und der Komplex der paramilitärischen Hardliner sieht bereits, wie inmitten der Epidemie des Coronavirus sein Anteil am nationalen Budget zunimmt. Diese Tatsache genügt, um zu beweisen, daß das Regime sich gezwungen sieht, die Unterdrückung von Gruppen wie der PMOI höher zu achten als die vitalen Bedürfnisse des iranischen Volkes.
Unlängst hat der NWRI über eine neue Welle von Verhaftungen und Verhören berichtet, die sich auf den Zweck konzentrieren, Näheres über die PMOI und ihre Beziehung zu einzelnen Engagierten zu erfahren. Daraufhin hat die Leiterin der Koalition, Maryam Rajavi, die Vereinten Nationen, deren Ausschuß für die Menschenrechte und verschiedene Menschenrechts-Organisationen ausdrücklich aufgefordert, die iranischen Gefängnisse zu untersuchen und vor einer Steigerung der Unterdrückung der Andersdenkenden auf der Hut zu sein. Westliche Politiker sollten auf diese Forderung eingehen; sie sollten den auf den Iran ausgeübten Druck aufrecht erhalten, um dessen Abenteuer in der Region zum Halten zu bringen. Sie wissen ja genau, daß die Wohlfahrt des iranischen Volkes von diesen beiden Haltungen abhängig ist.