NWRI- Nach der offiziellen Bekanntmachung des Todes des Präsidenten des iranischen Regimes Ebrahim Raisi und des Außenministers Hossein Amir-Abdollahian sowie mehrerer anderer hochrangiger Amtsträger ist der Oberste Führer Ali Khamenei eiligst öffentlich aufgetreten. Sein Ziel war, seinen Unterstützern die Gewissheit zu geben, dass die Stabilität des Regimes nicht beeinträchtigt sei.
Mit der Skizzierung des Plans, die verstorbenen Amtsinhaber zu ersetzen, vermittelte Khamenei die Botschaft, dass das Regime über diesen Verlust hinwegkommen werde. Das wiederum führte viele iranische Analysten dazu, verschiedene Verschwörungstheorien zu entwickeln, während westliche Experten spekulierten, dass der Vorfall eine innere Sache sei, die vom Regime oder einigen Fraktionen darin in Gang gebracht worden sei.
Was auch immer die Ursache des Vorfalls war, so ist unleugbar, dass Raisis Tod ein großer Schlag für all das war, was Khamenei in den vergangenen Jahren an Investitionen aufgewendet hatte.
Das Raisi Projekt
Im iranischen Regime stellen sich oft mehr Fragen als Informationen verfügbar sind. Jedoch zeigt die neuere Geschichte des Iran, dass Ebrahim Raisi die zentrale Figur in einem jahrzehntelangen Projekt des Obersten Führers war, das Überleben des Regimes in vielfältigen internen und internationalen Krisen sicherzustellen.
Vor den Präsidentschaftswahlen von 2017 hat das Regime seine Strategien für die Region und die Raketenentwicklung ausgebaut unter Verwendung von Finanzen, die durch den JCPOA (den Atomvertrag von 2015) freigesetzt wurden, während heimlich das Projekt für Atomwaffen weitergeführt wurde.
Da er frustriert vom vorherigen Parlament und dem Präsidenten Hassan Rohani war, entschloss sich Khamenei dazu, den Wächterrat dazu zu benutzen, um Raisi in den Wahlen von 2017 als Präsident durchzubringen. Zuvor war Raisi von Khamenei selbst auf einen finanziell und wirtschaftlich lukrativen Posten in Astan Quds Razavi gehievt worden.
Khamenei der aus seinen Erfahrungen mit den vorherigen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, Mohammad Khatami, Mahmoud Ahmadinejad und Hassan Rohani gelernt hatte, brauchte jemanden mit minimalem politischem Gewicht und viel auf dem Kerbholz, um die Herausforderungen in Bezug auf seine Hegemonie und, wichtiger noch, in Bezug auf die Lösung des Dilemmas seiner Nachfolge, zu stemmen.
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Als Raisi in den Scheinwahlen von 2017 kandidierte, startete der Nationale Widerstandsrat eine weltweite Kampagne, in der er Raisis kriminelle Vergangenheit bloßstellte, nämlich die eines Schlüsselmitglieds in der Todeskommission beim Massaker von 1988 an politischen Gefangenen im Iran.
Der Slogan „Nein zu einem Scharlatan und Nein zu einem Henker“ hallte durch den ganzen Iran. Hassan Rohani benutzte das auch für sich im Wahlkampf und kritisierte offen Raisis Lebenslauf als der von „jemandem, der nichts wisse außer wie mit Gefängnissen und Hinrichtungen umzugehen sei.”.
2023 bestätigte ein Dokumentarfilmer aus dem Regime selbst über die Wahl von 2017, dass ihr Hauptthema die Hinrichtungen von 1988 waren.
Der Aufstand vom Dezember 2017 überraschte Khamenei mit dem Slogan: „Reformisten, Prinzipalisten, das Spiel ist vorbei“, der signalisierte, dass die Bemäntelung durch den Reformismus aufgeflogen sei und dass nur noch eine Konsolidierung als einziger Weg für ein Überleben des Regimes übrig geblieben war.
Herausputzen des Profils Raisis
Durch eine Verfügung Khameneis wurde Sadeq Amoli Laridschani kaltgestellt und am 7. März 2019 ersetzte ihn Raisi als Chef der Justiz. Als Chefrichter spielte Raisi eine Schlüsselrolle bei der Unterdrückung von Dissidenten. Um Raisis Profil aufzupolieren, verhaftete das Regime einige Amtsträger und stellte sie vor Gericht, so Laridschanis Vertreter Akbar Tabari wegen des Vorwurfs der Korruption und damit bekam Raisi das Markenzeichen eines „Vorkämpfers gegen die Korruption“.
Beim Aufstand vom November 2019 ertönten wieder die Sirenen der Gefahr eines Sturzes des Regimes und veranlassten Khamenei, seine Bemühungen um eine Konsolidierung zu verstärken. Bei den Scheinparlamentswahlen vom Februar 2020 schloss der Wächterrat alle MPs aus, die für sich selbst mit dem Markenzeichen als „Reformisten“ und „Gemäßigte“ warben, damit das Madschlis in seiner elften Amtsperiode die Bezeichnung eines „revolutionären Parlaments“ rechtfertigen könne. Zeitungen, die mit den abgedrängten Fraktionen in Verbindung standen, brachten Schlagzeilen, die „die geringste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Islamischen Republik“ herausstellten, womit zum ersten Mal ein ausgedehnter Boykott eingeräumt wurde.
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Am 18. Juni 2021 zahlte Khamenei einen saftigen Preis damit, dass er Raisi zum Gewinner der Scheinwahlen für die Präsidentschaft machte und auch enge Verbündete wie Ali Laridschani disqualifizierte und sich viele Feinde innerhalb des Regimes machte. Bei den Wahlen vom 1. März in diesem Jahr sah man in Khamenei wieder jemanden, der das Parlament von jeder Opposition gegen die Politik Raisis säuberte. Diese Säuberungen wurden ausgedehnt auf Schulen, Universitäten und Regierungsabteilungen.
Raisis Tod: Ein Schlag gegen den Plan Khameneis
In den letzten drei Jahren betrieben Ebrahim Raisi und Hossein Amir-Abdollahian die Agenda des Obersten Führers sowohl im Inland als auch im Ausland. Raisi war der führende Kandidat für die Präsidentschaft der Expertenversammlung, die am 21. Mai zusammentrat und dafür ausersehen ist, für die Nachfolge Khameneis eine entscheidende Rolle zu spielen.
Aus Angst vor einer weiteren Revolution brauchte Khamenei Schlüsselfiguren, die interne Abweichungen rücksichtslos unterdrücken und externen Terrorismus ohne Zögern zur Ausführung bringen konnten. Mit der Verstrickung Teherans in die Gaza-Krise und andere internationale Konflikte wie die in der Ukraine, im Sudan und in Lateinamerika kann Khamenei sich keine Administration leisten, die Kompromisse schließen oder wegverhandeln könnte, was er als Hebel des Regimes für die Macht betrachtet. Allen jenen, die dachten, Khamenei könne nach dem Tod Raisis seinen Ansatz ändern, schickt die Ernennung des 93jährigen superextremistischen Klerikers Ali Movahedi-Kermani zum Sprecher der Expertenversammlung eine klare Botschaft: Khamenei mag sein Hauptpfand verloren haben, aber nicht seinen Überlebensinstinkt.