Teheran zieht den endgültigen Text des Nuklearabkommens in Zweifel

NWRI_

Am vergangenen Freitag legte das iranische Regime seine formelle Antwort auf den von den USA ausgearbeiteten Entwurf eines „endgültigen Textes“ zur Wiederherstellung des Nuklearabkommens von 2015 – des „Gemeinsamen umfassenden Handlungsplans“ – vor. Doch die Behörden des Regimes und die staatlichen Medien drücken sich dazu weiterhin vage aus; sie vermeiden Fristen und verbind-liche Verabredungen und erklären explizit, der Verhandlungsprozeß könne noch den ganzen September in Anspruch nehmen.

Unterdessen haben 50 Mitglieder des Abgeordnetenhauses der USA einen Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten geschrieben. Sie fordern seine Regierung auf, besagten Prozeß zu verlassen und den Zusammenbruch des JCPOA hinzunehmen, anstatt das Risiko einzugehen, einem Abkommen zuzustimmen, durch welches das iranische Regime übermäßig begünstigt wird, ohne seinen Fort-schritt zur Atombombe definitiv zu beenden.

Die Besorgnis um Indizien solchen Fortschritts wurden wiederum verstärkt – am Mittwoch, als die Internationale Atom-energie-Behörde einen Bericht veröffentlichte, der bestätigte, daß die unterirdische Nuklearanlage in Natanz mit zwei von drei fortgeschrittenen Anreicherungs-“Kaskaden“ die Einfütterung von Uran begonnen habe. Dieser Schritt ist der vorläufig letzte einer langen Reihe von Steigerungen, mit denen das iranische Regime offensichtlich versucht, auf seine westlichen Verhandlungspartner dahingehend Druck auszuüben, daß sie in bezug auf die den JCPOA immer noch betreffenden Differenzen zu Konzessionen bereit sind.

Nach den Bestimmungen des Abkommens von 2015 wurde erwartet, daß das iranische Regime die Anreicherung auf 3,67% spaltbaren Materials und dessen Speicherung auf 300 kg beschränkt. Doch heute reichert das Regime Uran bis zu 60% an und ist mithin nur noch einen kurzen technischen Schritt von dem Grad entfernt, der den Bau von Atombomben ermöglicht; und der Speicher hat mindestens 3 800 kg erreicht und hält mithin dem Regime, sollte es sich für den „Ausbruch“ entscheiden, mehr als genug Material zum Bau einer Atombombe bereit.

Neue Frage über die möglichen Folgen dieser Fortschritte ergaben sich am Sonntag, als Details des sog. endgültigen Texts die internationale Presse erreichten. Es wird jetzt vorausgesehen, daß die vollständige Wiederherstellung des JCPOA in vier Phasen und in 165 Tagen vor sich gehen wird. Doch ist derzeit noch unklar, ob während dieses Prozesses dem iranischen Regime substantielle Beschränkungen auferlegt werden müssen, bevor oder nachdem es den Zugang zu nicht mehr eingefrorenen Vermögen und andere ökono-mische Vorteile erreicht oder erreicht hat.

Seitdem – vor annähernd 18 Monaten – die Verhandlungen zur Wieder-belebung des JCPOA in Wien begannen, treten iranische Funktionäre dafür ein, daß, bevor sie zum Einverständnis mit dessen ursprüng-lichen Bestimmungen zurückkehren, die USA alle über das Regime verhängten Sanktionen aufheben sollten. In einigen Fällen gingen diese Funktionäre so weit, dafür zu plädieren, daß ihnen vor der Erklärung ihres Einverständnisses eine Frist für weitere Vergünstigungen eingeräumt werde. Und hier das vielleicht Alarmie-rendste: Ein zentraler Gegenstand der Verhandlungen ist seit dem vorigen Jahr das Bestehen Teherans darauf, daß die USA das Corps der Islamischen Revolutionsgarden – die strengste paramilitärische Truppe des Regimes – von ihrer Liste ausländischer Terror-Organi-sationen streichen, und dies als Vorbedingung dessen, daß der Iran das Abkommen unterzeichnet.

Nachdem die Europäische Union im August ihren „endgültigen“ Text vorgelegt hatte, begannen Regierungsbeamte der USA, zu den Aussichten eines Durchbruchs größeren Optimismus zu äußern; sie behaupteten, Teheran habe das das IRGC betreffende Ultimatum end-gültig fallen lassen. Doch die Unterzeichner des Briefes, der am vergangenen Donnerstag an den Präsidenten der USA gesandt wurde – 34 Demokraten und 16 Republikaner – äußerten sich dazu skeptisch; sie legten die Annahme nahe, Teheran habe seinen Kurs geändert, um die bevorstehenden Sanktionen zu mildern – nicht aber, um die Entfernung des Terror-Etiketts zu erreichen.

Die Abgeordneten der USA schrieben in Bezug auf ein Exzerpt des neuerlich veröffentlichten Entwurfs-Texts: „Die bereits erwähnte Vorkehrung erzeugt eine betrübliche Präzedenz. Wir sind besorgt, daß sie die Wirksamkeit der über das IRGC, die paramilitärische Terror-Organisation des Iran, verhängten, auf den Terrorismus bezogenen Sanktionen verdünnen und der Organisation einen Weg eröffnen könnte, den Sanktionen zu entkommen.“

Obwohl der Leiter der Außenpolitik der EU, Josep Borrell, die Zuversicht geäußert hat, daß der Prozeß in wenigen Tagen abgeschlossen werden könne, bekräftigte der Außenminister des iranischen Regimes, Hossein Amir-Abdollahian, die Auffassung, dieser Prozeß könne noch den ganzen September in Anspruch nehmen, indem er feststellte, es seien immer noch Dinge vorhanden, „die wir in dem Text verstärken müssen“.

Amir-Abdollahian bezog sich besonders auf Teherans beständige Forderung, die IAEA solle ihre Prüfung der früheren militärischen Dimensionen des iranischen Nuklearprogramms beenden – eine Prüfung, die immer noch geboten ist, weil die Behörden des Regimes sich weigern, das Vorhandensein nuklearen Materials in drei nicht-deklarierten Anlagen vollständig und glaubwürdig zu erklären, jenes Materials, von dem die Behörde nach dem Inkrafttreten des JCPOA Proben erhielt.

Gleichviel, ob in dem ausstehenden Abkommen zwischen dem iranischen Regime und den sechs Weltmächten auf besagte Prüfung Bezug genommen wird, bleibt die Tatsache bestehen, daß Teherans neuerliches Beharren auf weiteren Änderungen die Behauptungen der westlichen Seite widerlegt, sie sei nicht bereit zu zusätzlichen Kompromissen, um das Abkommen zu retten.