Zarifs durchgesickerte Kommentare zeigen, dass die Reform im Iran eine Illusion ist

Die staatlichen Medien des Iran haben begonnen, Auszüge aus einem durchgesickerten langen Interview von Javad Zarif, dem Außenminister des Regimes, zu veröffentlichen.

Sie unterstreichen das, was Kritiker des iranischen Regimes immer gewußt haben: die fundamentale Angleichung der Fraktionen der „Hardliner“ und der „Reformer“ aneinander. Zwar enthält die Aufnahme Abschnitte, die von der seltenen Kritik an den Spannungen zwischen dem Paramilitär und der Diplomatie des Iran berichten; doch in anderen Teilen des Interviews bekundet Zarif seine Zustimmung zu dem Umstand, daß die Angelegenheiten des Militärs Vorrang und dessen Führer auch bei den außenpolitischen Ent-scheidungen das letzte Wort haben. Außerdem wiederholt Zarif die früher öffentlich vorgetragenen Erinnerungen an seine enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Qassem Soleimani, dem Kommandeur der terroristischen Quds-Truppe, der zu Beginn des Jahres 2020 durch einen Drohnenschlag der USA getötet wurde.

Zu seinen früheren Äußerungen Zarifs gehört eine Rede, die er im Jahre 2019 im Hauptquartier des IRGC hielt – sehr bald, nachdem die USA die gesamte paramilitärische Truppe zu einer Terror-Organisation erklärt hatten. Diese Bezeichnung war auf die Quds-Truppe in Anbetracht der Rolle, die sie bei den Konflikten im Mittleren Osten und darüber hinaus einnahm, schon lange angewandt worden.

Zarif bezeichnete seine Einladung als große Ehre; damit widersprach er der Vorstellung, zwischen den Revolutionsgarden und dem Außenministerium bestehe tiefe Uneinigkeit. Obwohl der Zweck dieses Besuchs offensichtlich darin bestand, die Abteilungen des vor kurzem mit Sanktionen belegten IRGC und ihre Maßnahmen zu verteidigen, konzentrierte sich seine Rede bald auf Soleimani und die Maßnahmen der Quds-Truppe im Ausland. Zarif brüstete sich damit, daß er jede Woche zur Besprechung einer gemeinsamen Strategie dem Ausland gegenüber mit Soleimani zusammengekommen sei; er bekannte, daß beide Männer keine Unterschiede zwischen ihren Ansichten empfunden hätten.

Wenn Zarifs neueres Interview hinter diese Behauptung zurück ging, so reichte das doch nicht sehr weit. Statt dessen legte er den Hörern eine tiefere Anerkennung der Art vor, wie die diplomatische und die paramilitärische Infrastruktur Teherans einander überlappen. Ausdrücklich erkannte er an, daß die Diplomaten, die er zu beaufsichtigen hatte, aus den Reihen des IRGC stammten. Diese Art von Karriere führt zu ernsthaften Fragen, die die Pflicht des Diplomaten zur Konfliktvermeidung und seine Entscheidungskraft betreffen. Indessen verträgt sie sich mit der Art, wie das iranische Regime seine Botschaften und sein diplomatisches Personal benutzt, um in der Region und überall in der Welt bösartig zu operieren.

Javad Zarif, Außenminister des Iran, und Chefterrorist Qassem Soleimani – zwei Seiten derselben Medaille

Im Februar geriet dies Bild dadurch um so schärfer in den Blick, daß ein belgisches Gericht Assadollah Assadi und die drei in Europa tätigen iranischen Agenten verurteilte, die er zur Mitwirkung an dem versuchten Bombenanschlag auf die Versammlung von Exulanten im Juni 2018, in Paris, gewonnen hatte. In der Zeit, in der der Anschlag durch europäische Behörden zur Förderung des Rechts vereitelt wurde, war Assadi in der iranischen Botschaft in Wien als Dritter Berater tätig. Diese Position machte es ihm möglich, in einem Handelsflugzeug Sprengstoff nach Europa zu schmuggeln, wobei er sich eines Diplomatenkoffers bediente. Außerdem verhalf sie ihm zur Herstellung von Verbindungen überall im Kontinent, darunter mit zahllosen Agenten neben den dreien, die mit ihm den Anschlag in Paris verüben sollten.

Der iranische Diplomat und der größte Terroranschlag in Europa: Worin bestand die Rolle Assadollah Assadis?

Am Ende beweist das durchgesickerte Interview, daß Zarif in der iranischen Außenpolitik entschieden die Vorherrschaft der Hardliner betrieb und seine Aufgabe darin bestand, diese Politik umzusetzen und doch zugleich innerhalb des Regimes den „Reformer“ zu geben. Daraus folgt eine Botschaft an die Regierungen des Westens und die internationalen Institutionen: Sie sollten ernsthafter besorgt sein über die Möglichkeit, daß aus dem Spiel zwischen den „Gemäßigten“ und den „Hardlinern“ des Iran – zwischen Diplomatie und Terrorismus – eine weitere Gestalt wie die von Assadi auftaucht.

Wenn internationale Medien darauf beharren, daß sie das Interview Zarifs als Symptom des zwischen den beiden Fraktionen anhaltenden Zwists interpretieren, dann heißt es nur, daß sie sich gegenüber dem schmutzigen Spiel des Regimes mit den angeblich Gemäßigten und Hardlinern blind stellen, das Zarif jetzt laut und deutlich zugegeben hat. Seine gute Seite: Sein Kommentar macht klar, daß es keinen Sinn hat, wenn der Westen auf ihn oder andere als Gemäßigte setzt. Seine schlechte Seite: Stillschweigend gibt er zu, daß das anzunehmende Ergebnis solchen Setzens darin besteht, die Ansichten und die Taktik der Hardliner, wie sie die Funktionäre, die der theokratischen Diktatur des Iran dienen, weithin miteinander teilen, legitimiert werden.