Der Jahrestag der großen Proteste im Iran

Der Jahrestag der großen Proteste im Iran: Es existiert weiterhin ein Potential für einen Regimewechsel in der Gesellschaft

NWRI- Der Iran nähert sich schnell dem ersten Jahrestag der bedeutendsten Protestbewegung seit den 1980er Jahren. Im November 2019 versammelten sich viele tausend Aktivisten spontan in grob gezählt 200 iranischen größeren und kleineren Städten, nachdem die Behörden des Regimes einen plötzlichen Anstieg des Preises für Benzin bekanntgaben. Obwohl sie sich an wirtschaftlichen Sorgen entzündet hat, verwandelte sich die landesweite Erhebung in ein unmissverständliches Ventil für eine Stimmung gegen das Regime im Allgemeinen und für eine Unterstützung der organisierten Widerstandsbewegung, der Organisation der Volksmudschahedin des Iran (PMOI/MEK), im Allgemeinen.

So folgten die Aufstände im November 2019 weitgehend dem gleichen Muster wie denen, die ihnen weniger als zwei Jahre vorausgingen. Auf ihrem Höhepunkt im Januar 2018 wurde diese frühere Erhebung vielfach als die bedeutendste bis dahin angesehen. Sie erfasste annähernd 150 Orte und war besonders bemerkenswert dadurch, dass sie die erste ihrer Art war, die auch die Teilnahme von Bewohnern armer Landstädte einschloss, die die Mullahs lange als Hochburgen der politischen Unterstützung für die klerikale Diktatur dargestellt haben.

Die Erhebung von 2018 kennzeichnete auch besonders die führende Rolle der MEK. Während die landesweiten Proteste noch im Gang waren, erkannte der Oberste Führer Ali Khamenei an, dass die MEK „monatelang geplant habe“, den Aufstand in die Realität umzusetzen. Damit flog seinem Regime das lange Bestehen auf der Beschreibung der MEK als „Grüppchen“ um die Ohren und es bestätigte sich einmal mehr, dass die MEK eine ernste Herausforderung für den Machterhalt der Mullahs ist.

Der Zusammenbruch dieses Propagandanarrativs ist seither stetig weiter gegangen. In einer Zeremonie zum Beginn des laufenden iranischen Kalenderjahrs hielt Khamenei eine Rede vor seinen Gangstern in der Basidsch Miliz, die als Studenten getarnt waren, und forderte sie auf, wachsam gegenüber Protesten auf dem Campus zu sein und insbesondere zu verhindern, dass diese von jungen Anhängern der demokratischen Plattform angeführt werden, für die sich die MEK einsetzt. Besagte Zeremonie fand im letzten März statt, also einige Monate nach der November Erhebung, die die Äußerung Khameneis begründete.
Aber Khamenei spekulierte nicht allein über zukünftige Unruhen auf der Grundlage der Aufstände im Januar 2018. Verschiedene Proteste hatten im ganzen Jahr bis zu seiner Rede vor den Basidsch stattgefunden.

Die Iraner zeigten ihren Wunsch für einen Regimewechsel mit dem Anstimmen von Slogans wie „Tod dem Diktator“ und ähnlich, sogar als die landesweite Bewegung für den Moment durch autoritäre Niederschlagungen unterdrückt worden war, die Dutzende von friedlichen Protestierern als Tote hinterließen und Tausende unschuldige Zivilisten ins Gefängnis brachte. Die Repression setzte sich seither ohne Unterlass fort. Viele weitere Verhaftungen folgten und manche haben zur Hinrichtung geführt, darunter die des bekannten Ringmeisters Navid Afkari trotz internationaler Aufschreie, dass man diese Hinrichtung stoppen solle.

Aber diese Ablehnung des internationalen Willens ist nur eine verzweifelte Antwort auf die Ablehnung eben dieser Repression in der Bevölkerung. Da dem Jahr der Aufstände Verhaftungen folgten, nahm die Widerstandsbewegung nur noch mehr Fahrt auf, was in den landesweiten Protesten des vergangenen Novembers kulminierte. Um das Regime vor dem Zusammenbruch zu bewahren, eröffneten Revolutionsgardisten (IRGC) und andere Unterdrückungskräfte das Feuer auf Protestierende, wodurch mindestens 1500 Menschen getötet wurden.

Gefallen für die Freiheit beim November Aufstand 2019 im ganzen Iran

Viele der Verhaftungen wurden in Krankenhäusern vorgenommen, wo verwundeten Protestierern einer Behandlung verweigert wurde. Iranische Internierungseinrichtungen sind berüchtigt für ihre Verweigerung medizinischer Versorgung, besonders für Opfer politischer Inhaftierung. Hinzukommt, dass die Justiz des Regimes eine lange Geschichte der geheimen Vollstreckung von Hinrichtungen hat, so dass die Zahl der November Märtyrer noch viel höher als 1500 sein kann.

Das iranische Regime erhält fraglos die führende Rate der Hinrichtungen pro Kopf in der Welt aufrecht, aber diese Rekordzahl basiert auf einer Reihe von jährlichen Schätzungen, wobei die Tötungen vielfach erst Monate nach dem Ereignis von Widerstandsaktivisten offengelegt werden.

Alle diese Faktoren machen klar, unter welchem extremen Druck das iranische Volk im vergangenen Jahr stand. Aber die Repression von Dissens ist im Iran ein universeller Tatbestand des Lebens und sie wurde schon direkt nach der Erhebung von 2018 verstärkt. Ganz klar hat diese Repression nichts dazu beigetragen, öffentliche Bekundungen von Dissens beim Anlaufen des Aufstands von 2019 zu behindern. Laut dem, was die gewählte NWRI Präsidentin Frau Rajavi vor kurzem in Reden bei Konferenzen über die Situation im Iran äußerte, gab es noch drei weitere Aufstände im Verlauf der letzten drei Jahre.Während sich die iranische Bevölkerung nach einer Änderung sehnt und das Regime sich am Rand des Zusammenbruchs befindet, scheinen die meisten europäischen Regierungen noch der lange betriebenen Politik des Appeasements verpflichtet, bei der die Bewahrung des Atomabkommens von 2015 die oberste Priorität hat.

Aber jedem, der den explosiven Zustand der iranischen Gesellschaft erkennt, sollte diese Prioritätssetzung als absolut fehl am Platze vorkommen. Genau das sagten viele internationale Würdenträger in virtuellen Konferenzen, die die Koalition im September veranstaltete mit dem Ziel, die europäische Politik gegenüber dem Regime zu überprüfen. In einer dieser Veranstaltungen betonte das englische MP Bob Blackman die Auffassung, dass Teherans jüngste Niederschlagungen von Dissens ein Zeichen für die Wesensnatur des Kleriker-Regimes seien. „Wir müssen die Appeasement Politik beenden und die Illusion aufgeben, dass aus der theokratischen Diktatur Gemäßigte hervorgehen“, erklärte er.

Bei der gleichen Veranstaltung bestand der irische Senator Gerry Horkan darauf, dass „der Iran am Rand einer Revolution steht“, die die Notwendigkeit einer solchen falschen Hoffnung bezüglich der Mäßigung beseitigen würde und stattdessen zu einer vollkommen neuen Regierung führen würde auf der Grundlage der demokratischen Prinzipien, die in Frau Rajavis 10-Punkte Plan für Irans Zukunft niedergelegt sind. „Wir müssen jeder Form von krimineller und gewaltsamer Reaktion des Regimes zuvorkommen“, wobei Horkan hinzufügte, der anstehende Wandel müsse vom iranischen Volk selbst vorangetrieben werden, und nicht durch eine westliche Intervention.

Auf irgendeiner Ebene scheinen die iranischen Amtsträger das gleiche zu erwarten. Das spiegelte sich wieder in den Warnungen des Obersten Führers vor einer aufsteigenden demokratischen Widerstandsbewegung und es spiegelte sich neuerdings wieder in den Erklärungen einiger Mitglieder des Parlaments des Regimes wie Ahmad Hossein Falahi, der kürzlich einen Kommentar zu den sozialen Problemen abgab, darunter die Verschlimmerung des Coronavirus Ausbruchs, aber nicht darauf begrenzt, und erklärte, dass die unruhige Bevölkerung die Verantwortlichkeit für alle diese Probleme „dem Staat und dem Obersten Führer“ auferlegt hat.

Diese im Volk vorhandene Abscheu vor dem herrschenden System sollte in der ganzen Welt als das anerkannt werden, was sie ist: ein Zeichen dafür, dass die Tage des iranischen Regimes gezählt sind.