Die Verfolgung eines iranischen Diplomaten sollte das Ende der Straflosigkeit Teherans bezeichnen

Von Alejo Vidal-Quadras

Im Juni 2018 unternahm das iranische Regime den Versuch eines Anschlags auf eine internationale Versammlung. Er gehörte zu dem Plan, die organisierten Bemühungen, einen Wandel des Regimes zu fördern und die theokratische Diktatur durch eine demokratische Regierung zu ersetzen, zunichte zu machen. Im November 2020 wird der führende Kopf dieses vereitelten Terroranschlages wegen Verschwörung zum Zwecke terroristischen Mordes in Belgien vor Gericht gestellt werden. Von vitaler Bedeutung ist nicht nur, daß er wegen des Vorfalls zur Rechenschaft gezogen wird, sondern auch, daß man das Regime mit diesem Prozeß vor den Konsequenzen warnt, mit denen es in Zukunft zu rechnen hätte, wenn es sich erneut zu politischen Gewalttaten entschlösse.

Der iranische Terrorismus ist schmerzlich bekannt, doch der Anschlag von 2018 war in mancher Hinsicht ungewöhnlich. Der Angeklagte des Verfahrens, das im November beginnen soll, ist ein erstrangiger iranischer Diplomat – der Dritte Sekretär der Botschaft des Landes in Wien. Es war überhaupt nicht ungewöhnlich, daß Diplomaten dieses Regimes an der Planung und Förderung des iranischen Terrorismus beteiligt waren, doch Assadollah Assadis zwei Jahre zurück liegende Tätigkeit war ganz besonders transparent. Er hatte nicht nur die mit der Bombardierung der Versammlung FREIER IRAN bei Paris beauftragten Männer rekrutiert und befehligt; er soll ihnen darüber hinaus die 500g des Sprengstoffs TATP samt einem Zünd-Mechanismus eigenhändig übergeben haben.

In der Zeit nach seiner Verhaftung räumten europäische Behörden ein, daß es in den iranischen Botschaften des Kontinents von Geheimagenten wimmelt. Das Handeln Assadis unterstreicht die Gefahr, die darin liegt, daß man Terror-Diplomaten in europäischen Hauptstädten kaum überwacht und ohne Konsequenzen mit ihrer illegalen Tätigkeit leben und arbeiten läßt. Jeder von ihnen könnte sich als Leiter einer Schläferzelle herausstellen, die den Auftrag hat, im Herzen Europas Sprengkörper auszusetzen oder Mordanschläge zu begehen.

Doch darin liegt eine Lektion, die die Politiker des Westens schon längst hätten lernen sollen. Mittels seiner Botschaften und Konsulate hat der Iran schon früher Terror-Anschläge organisiert. Und nicht alle von ihnen wurden – wie der Anschlag Assadis – vereitelt. In den 80er und 90er Jahren beging Teheran eine Reihe von Mordanschlägen gegen engagierte Mitglieder der Opposition, z. B. Kassem Rajavi, den Vertreter des Nationalen Widerstandsrates des Iran bei den Vereinten Nationen; er wurde im Jahre 1990 in der Nähe seines Hauses im Verkehr erschossen. Es ist beschämend, daß diese Morde für Teheran fast keine Konsequenzen hatten und es sich daher kaum veranlaßt fand, die Ausbreitung seines Netzwerkes von Terror-Diplomaten zu verlangsamen.

Tatsächlich ist Assadollah Assadi der einzige Diplomat, dem sein Mitwirken im iranischen Terrorismus rechtliche Vorwürfe einbrachte. Dabei ist es hilfreich, daß seine Verwicklung kaum heruntergespielt oder wegerklärt werden kann. Wohl noch hilfreicher ist es, daß die Opfer seines Anschlags nicht nur iranische Exulanten gewesen wären – so wie es in den meisten der früheren Mordversuche der Fall war. Die jährliche Versammlung, die vom NWRI organisiert wird, zieht inzwischen in jedem Jahr mehr als 100 000 Teilnehmer an; die überwältigende Mehrheit von ihnen setzt sich zwar immer noch aus Exil-Iranern und ihren Angehörigen zusammen, aber unter den Rednern befinden sich viele politische Würdenträger, die für mehrere Parteien repräsentierende Delegationen aus Europa, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern der Welt stehen.

Zweifellos war das vornehmliche Ziel des Terroranschlages von 2018 Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des NWRI. Doch die Sprengsätze, die bei Assadis Mitarbeitern gefunden wurden, hätten ausgereicht, um hunderte von Menschen zu töten. Und man kann sich nicht vorstellen, daß nicht Leute wie Rudy Giuliani, Newt Gingrich, Giulio Terzi und andere von den hochrangigen westlichen Abgeordneten und Politikern, die in den zurückliegenden Jahren zu hingebungsvollen Freunden des iranischen Widerstands geworden sind, zu den Todesopfern gezählt hätten.

Während der Beginn des Verfahrens gegen Assadi näher rückt, sollte die internationale Gemeinschaft sich bewußt daran erinnern, daß daß solche Bereitschaft, westliche Politiker anzugreifen, in den Kreisen der iranischen Funktionäre nichts Ungewöhnliches ist. Der Terroranschlag von 2018 mag angesichts der verzweifelten Bemühung des Regimes, den Dissens niederzuschlagen, welcher dem Aufstand des Jahresanfangs folgte, als ungewöhnlich nachlässig geplant erscheinen; das bedeutet aber nicht, daß seine Art auf irgendeine Art abnorm gewesen wäre. Vielmehr offenbarte auch sie die Rücksichtslosigkeit und das Gefühl der Straflosigkeit, die das Mullah-Regime in den vierzig Jahren seiner Herrschaft begleitet hat.

Daher sollte das belgische Gericht über den iranischen Terror-Diplomaten die Höchststrafe verhängen. Außerdem sollten die europäischen Nationen sie als Warnung zu verstehen geben – gerichtet an das gesamte iranische Regime. Sie sollten die Bestrafung Assadis mit neuen Sanktionen begleiten, die als Reaktionen auf den Terrorismus und die systematischen Menschenrechtsverletzungen klar zu machen wären. Und sie sollten sich für eine revidierte Iran-Politik engagieren und mit ihr die klare Botschaft verbinden, daß die Zeit der Straflosigkeit Teherans vorüber ist.

Es ist schon eine lange Zeit verstrichen, in der die vom Regime begangenen Verbrechen nicht geahndet wurden, weil sie sich nicht direkt gegen Staatsbürger der westlichen Länder richteten. Doch nun sollte das Eintreten der Europäer für die Prinzipien der Menschenrechte sich auch die Fälle beziehen, in denen iranische Dissidenten auf europäischem Boden ermordet werden – nicht anders als auf die Massenmorde, die im Iran selbst begangen wurden, wie das Massaker an 30 000 politischen Gefangenen im Sommer 1988 und die Erschießung von 1500 friedlichen Demonstranten während des landesweiten Aufstands im vergangenen November. Die Herrschaft des Mullah-Regimes wurde seit ihrem Beginn von Blutbädern begleitet. Für die westlichen Demokratien wird es Zeit, solch einer kriminellen Diktatur endlich ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Alejo Vidal-Quadras, Professor für Nuklear-Physik, war von 1999 bis 2014 Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Er ist der Präsident des Internationalen Komitees „Auf der Suche nach Ge-rechtigkeit (ISJ)“.