Das bevorstehende Terrorismusverfahren ist eine Gelegenheit für eine Infragestellung des Status Quo der Beziehungen zum Iran

Von: Alejo Vidal Quadras

Am 27. November 2020 werden vier iranische terroristische Agenten in Antwerpen ein Verfahren vor Gericht bekommen. Unter ihnen ist ein hochrangiger Diplomat, der von der iranischen Botschaft in Wien aus arbeitete, bevor er am 1. Juli 2018 verhaftet wurde. Diese Verhaftung fand statt einen Tag nach dem beabsichtigten Datum eines Angriffs, den er federführend geplant hatte mit dem Ziel einer Sprengung einer internationalen Versammlung, die vom Nationale Widerstandsrat Iran organisiert worden war.
Wäre der Angriff erfolgreich gewesen, wäre es ein seltenes Beispiel von iranischem Terrorismus gewesen, der auf westlichem Boden ausgeübt worden wäre ohne eine dritte Partei wie die Hisbollah als Mittelglied. Sein Hauptzielobjekt war ersichtlich Maryam Rajavi, die gewählte Präsidentin des NWRI. Aber das Sprengmaterial, das benutzt werden sollte, hätte sicher auch zu weiteren Todesfällen geführt, möglicherweise einschließlich von jemandem aus dem Kreis der Hunderte von politischen Würdenträgern, die in den Pariser Vorort Villepinte angereist waren für die Kundgebung „Freier Iran”.
Diese möglichen Auswirkungen belegen die einzigartige Bedeutung des Verfahrens am 27. November gegen Assadollah Assadi. Es ist natürlich wichtig, dass jener Terrorist Diplomat zur Verantwortung gezogen wird für seine Rolle bei der Planung von Terrorismus im Herzen Europas. Aber mehr noch als das ist es wichtig für die internationale Gemeinschaft, dass sie das gesamte iranische Regime für die gleiche Sache verantwortlich macht. Mehrere Leute mit intimer Kenntnis dieses Falles haben klargestellt, dass es eine bedeutende Tragweite hat für die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen. Jaak Raes, der Chef des Staatssicherheitsdienstes in Belgien, hat vor kurzem gegenüber den Medien bestätigt, dass „der Plan für den Angriff im Namen des Iran und unter seiner Führung gefasst worden ist. Er war keine Sache von Assadis persönlicher Initiative“. Ein weiterer Beweis für diese Schlussfolgerung kann in Teherans Verhalten gesehen werden, nachdem die Ausführung des Plans vereitelt worden ist. Weit entfernt davon, Assadi oder seine Untergebenen oder deren Bereitschaft zu verleugnen, westliche Tote auf westlichem Boden in Kauf zu nehmen, gaben die Autoritäten sich jede erdenkliche Mühe, um die Auslieferung ihres Diplomaten [an Belgien] zu blockieren oder sein Entkommen von der Justiz zu ermöglichen. Assadi selbst ging sogar so weit, weiteren Terrorismus anzudrohen, wenn die belgischen Behörden sich bei diesen Bemühungen nicht als kooperativ erwiesen. In Interviews mit den vernehmenden Beamten gab er an, dass das Regime viele Handlanger habe, die darauf lauern würden, ob Europa „sie unterstützen“ werde oder nicht.
Das Regime als Nummer eins der staatlichen Förderer von Terrorismus stand hinter diesem Terrorangriff und muss verantwortlich gemacht werden. Mehr noch die europäischen Regierungen sollten Irans Außenminister Javad Sarif nicht willkommen heißen oder ihm erlauben, den Boden Europas zu betreten, und sie sollten Sarif zur Verantwortung ziehen dafür, dass sein Diplomat der Haupttäter bei diesem Terrorakt war.

Der Fall Assadi könnte einen Wendepunkt in Europas Umgang sowohl mit dem iranischen Regime als auch mit seinen militanten Handlangern sein. Einige Kritiker der bestehenden Politik haben sich in diesem Punkt optimistisch gezeigt, so das englische MP Theresa Villiers, die unter den auswärtigen Würdenträgern war, die die Kundgebung Freier Iran 2018 besucht haben. „Wenn die Angeklagten in diesem Fall für schuldig befunden werden“, erklärte sie, „muss das ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft sein, mehr Druck auf das tyrannische iranische Regime auszuüben, seine destabilisierende Unterstützung für terroristische Gruppen in der ganzen Welt zu beenden“. Ohne Zweifel ist das genau das Ergebnis, das Teheran befürchtet hat, als es versuchte, Assadis Auslieferung zu hintertreiben. Seine Repräsentanten warnen immer noch vor einer solchen Verschiebung bei den internationalen Beziehungen, je mehr der Prozess näher rückt. Peyman Sadat, der Generaldirektor für Europa im Außenministerium des Iran hat vor kurzem ein Treffen mit dem belgischen Botschafter gehabt und es nachher so charakterisiert, dass es die Absicht des Iranischen Widerstands unterstrichen habe, „unsere Beziehungen mit Belgien und Europa zu beflecken“.
Dazu muss man sagen, dass nach dem Terrorplan von 2018 das Schweigen Europas über diesen Fall, um „die Beziehungen“ zum theokratischen Regime im Iran „nicht zu beflecken“, schändlich und inakzeptabel ist. Es muss auch gesagt werden, dass die Befleckung dieser Beziehungen für Europa nur günstig wäre. Diese Beziehungen an diesem Punkt zu untermauern, würde die Botschaft aussenden, dass iranische Terrordrohungen eine wirksame Strategie sind, um Europa zum Schweigen einzuschüchtern. So eine Botschaft wäre für das iranische Regime unglaublich wertvoll inmitten der derzeitigen Krisen.
Der versuchte Terroranschlag von 2018 wurde durch heimische Aufstände ausgelöst, die für die Mullahs eine ernste Herausforderung für ihren Machterhalt bedeutet haben. Nachdem die MEK als eine große Triebkraft hinter den Unruhen im Januar davor ausgemacht worden war, kämpfte das Regime darum, die Kontrolle über die Bevölkerung zurückzugewinnen, und richtete schnell seine Blicke auf das Zentrum der auswärtigen Unterstützung der „Widerstandseinheiten“ im Land. Nachdem der versuchte Terroranschlag von den europäischen Behörden abgewendet worden war, lebte die heimische Unruhe in sogar noch größerem Maßstab wieder auf im November 2019, als Proteste in fast 200 großen und kleinen Städten ausbrachen.
Auch nach der Eröffnung des Feuers auf diese Proteste und nach der Tötung von etwa 1500 Menschen sah sich die iranische Regierung gerade einmal zwei Monate später vor einem weiteren breit gestreuten Aufbegehren. Dies unterstrich ebenso wie alles andere das Ausmaß der Popularität der Widerstandsbewegung. Es ist entschieden eine Bewegung, die nicht nur die theokratische Aufmachung des bestehenden Regimes in Frage stellt, sondern auch ihre antagonistische Beziehung mit westlichen und arabischen Nationen. Tatsächlich ist es so, dass Frau Rajavis 10-Punkte Plan für die Zukunft des Iran besonders zu friedlichen Beziehungen aufruft und zu einer Absage an terroristische Ableger ebenso wie den atomaren Ambitionen der Mullahs.
Das ist eine Bewegung, mit deren Unterstützung der internationalen Gemeinschaft sehr gedient wäre. Und es gibt vielleicht keine bessere Gelegenheit, eine solche Unterstützung einzuleiten als durch eine Sicherung des Schuldspruchs und einer angemessenen Bestrafung der Angeklagten im Prozess vom 27. November und dann den Blick auf einen entschiedeneren Umgang mit dem Regime zu richten, das jene Möchte gern Terroristen unterstützt und angeleitet hat. Ein solcher Umgang könnte auch eine Vermehrung von Sanktionen im Zusammenhang mit Terrorismus oder die Schließung von Botschaften beinhalten, durch die dieser Terrorismus kanalisiert wird. Was immer aber sich tatsächlich ergeben mag, eins ist sicher: Der Status Quo kann nicht weiter bestehen nach einer solchen finsteren Bedrohung wie die durch den versuchten Terroranschlag 2018.


Alejo Vidal-Quadras, Professor der Atom- und Kernphysik, war Vizepräsident des Europäischen Parlaments von 1999 bis 2014. Er ist Präsident des International Committee In Search of Justice (ISJ) [Internationales Komitee für die Suche nach Gerechtigkeit]