Mit diesem Plan kann auch im Iran ein Regimewechsel gelingen

Von Maryam Rajavi, erschienen in WELT – 20. Dez. 2024

Der Sturz von Assad in Syrien hat die herrschenden Mullahs in Teheran geschwächt. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, um den Widerstand gegen das Regime zu organisieren, meint unsere Gastautorin, die Präsidentin des Nationalen Widerstandsrates Iran.

Der Sturz von Baschar al-Assad, dem wichtigsten Verbündeten der Mullahs, der zusammen mit seinem Vater in den letzten 54 Jahren zahlreiche Verbrechen gegen das syrische Volk und die Region begangen hat, bedeutet einen strategischen und verheerenden Schlag für das iranische Regime.

Terrorexport, Einmischung in die Region und Kriegsführung – neben der Unterdrückung im Inland – bilden seit 1979 die Grundpfeiler der herrschenden Theokratie im Iran. Syrien war das Rückgrat des Regimes in der Region. Insbesondere seit 2003 verband es die Revolutionsgarden (IRGC) über Land mit dem Mittelmeer, dem Libanon und seiner zentralen Stellvertreterkraft, der Hisbollah.

Daher investierte das Mullah-Regime zwischen 2012 und 2020 mindestens 50 Milliarden Dollar in Syrien. Tausende IRGC-Kämpfer, darunter Dutzende hochrangige Kommandeure, kamen beim Versuch, Assad an der Macht zu halten, ums Leben. Diese Strategie ist nun vollständig gescheitert, und das iranische Regime befindet sich sowohl national als auch regional in seiner verwundbarsten Position seit Jahrzehnten.

Diese Katastrophe ereilt das Regime zu einer Zeit, in der die iranische Gesellschaft unruhiger ist denn je, und das Regime versucht, mit einer beispiellosen Hinrichtungswelle die Kontrolle zu bewahren. Es gab mehr als 600 Hinrichtungen in weniger als fünf Monaten seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Pezeshkian.

Die Faktoren, die in den letzten sechs Jahren zu vier landesweiten Aufständen und Tausenden kleinerer Proteste führten, haben sich verschärft: eine kollabierende Wirtschaft, außer Kontrolle geratene Inflation, weitverbreitete Arbeitslosigkeit, institutionelle Korruption und insbesondere die Unterdrückung von Frauen.

Während die iranische Gesellschaft auf den nächsten Funken für einen weiteren Aufstand wartet, sendet der Sturz Assads eine klare Botschaft an die rebellische Jugend und das Volk: Die herrschenden Mullahs und ihre Revolutionsgarden sind stark geschwächt und verwundbar. Die bis an die Zähne bewaffneten Truppen Assads und Zehntausende Kämpfer der Quds-Einheit sind innerhalb von elf Tagen wie Schnee in der Sommersonne geschmolzen. Die Täuschung des Regimes, ein starkes und stabiles Bild von sich zu vermitteln, wurde weiter entlarvt.

Die Herrscher in Teheran stehen nun an einem Scheideweg: Rückzug vom Terrorexport, der Kriegsführung und der Entwicklung von Atomwaffen – oder die Fortsetzung der Konfrontation mit der internationalen Gemeinschaft. Der erste Weg führt unweigerlich zum Zusammenbruch und Sturz des Regimes. Es wird bis zu seinem letzten Tag von Unterdrückung, Hinrichtungen, Terrorismus und Kriegsführung nicht ablassen.
Internationale Bemühungen, die Mullahs dazu zu bringen, diese Politik aufzugeben, werden wie in den letzten drei Jahrzehnten auf Täuschung und Erpressung stoßen. Nach dem Sturz des syrischen Diktators wird das Mullah-Regime sein Atomwaffenprogramm intensivieren, um das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen.

Während Sanktionen und internationaler Druck unerlässlich sind, liegt der Schlüssel zur Lösung der Iran-Frage in einem iranischen Ansatz. Die Voraussetzungen für diesen Wandel sind gegeben: ein organisierter Widerstand mit Tausenden erfahrenen Mitgliedern, eine Alternative mit breiter sozialer Unterstützung und internationaler Anerkennung, ein bekanntes politisches Programm und eine praktische Roadmap für den Regimewechsel sowie den Aufbau einer freien und demokratischen Gesellschaft. Die äußerst unzufriedenen und wütenden Menschen – mit ihren Widerstandszellen, die den Kern der Freiheitsarmee bilden – sind die treibende Kraft des Wandels im Iran.

Der Weg zu einem freien Iran

Nach dem Sturz des Regimes würde gemäß dem Programm des Nationalen Widerstandsrates Iran eine Übergangsregierung für maximal sechs Monate gebildet, deren Hauptaufgabe die Durchführung freier und fairer Wahlen für eine verfassungsgebende Versammlung wäre.

Danach würde die Macht an die Vertreter des Volkes in dieser Versammlung übertragen. Sie würden für maximal zwei Jahre eine neue Übergangsregierung zur Ausarbeitung der Verfassung der neuen Republik wählen. Die Existenz einer demokratischen Alternative lässt keinen Raum für Chaos.

Ein freier Iran wird sich auf Wahlurnen als einziges Kriterium für Legitimität stützen, die Freiheit und die Gleichberechtigung der Frauen betonen, die Autonomie der ethnischen Gruppen fördern, die Gleichstellung von Schiiten, Sunniten und anderen Religionen gewährleisten und die Trennung von Religion und Staat sicherstellen. Zudem wird sich ein freier Iran für Frieden im Nahen Osten einsetzen und ein atomwaffenfreies Land anstreben.

Ein zentraler Aspekt der Rolle der EU besteht darin, einerseits das Recht des iranischen Volkes und seines Widerstands auf den Sturz des Regimes anzuerkennen und andererseits das iranische Regime ernsthaft und mit konkreten Maßnahmen für die Unterdrückung des eigenen Volkes, seinen Terrorismus, seine Kriegstreiberei sowie seine Programme zur Entwicklung von Atomwaffen und Raketen zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Politik dient dem Frieden und der Stabilität in der Region und der Welt und positioniert Europa an der Seite des iranischen Volkes und seines Strebens nach Freiheit.

Maryam Rajavi ist die gewählte Präsidentin des Nationalen Widerstandsrates Iran.

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